Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
Vom Netzwerk:
dem König, dessen Hand die seines Retters ergriff.
    »Ja, er ist's!« donnerten des Königs Lippen unter die zu Bildsäulen Versteinerten.
    »Er ist's, den ihr auf wahrhaft wahnsinnig grausame Art vernichten wolltet; die Götter retteten ihn, damit er mich errette aus euerm verfluchten Wassergrab.«
    Nun erklärte Ramses kurz, wie Menes' Gefängnis, als es ihn zerdrücken sollte, aus den Fugen gegangen, wie der Boden, statt zu widerstehen, gewichen sei, und er der nachlässigen Bauart der Maschine sein Leben zu verdanken habe. Die Eisenwände, barmherziger als die Menschen, ließen ihren Raub entweichen, Menes stürzte in eine Felsenvertiefung herab, von wo aus er eiligst seinen Herrn aufsuchte, um ihm noch zur rechten Zeit von dem ihn erwartenden Verderben Kenntnis zu geben; der Herrscher hatte bereits den Fuß in die Sänfte gesetzt, als sein Freund atemlos bei ihm eintraf. Daher die Verspätung des Königs. Als der Herrscher mit dieser Erklärung zu Ende war, nahmen seine Züge einen ernsteren Ausdruck an, er betrachtete die zitternden Zuhörer einen Moment mit mitleidigen Blicken, dann aber, sich selbst zurechtweisend, rief er: »Nein! keine Gnade, ich muß hart sein!« Menes wollte ein gutes Wort für die wie Leichen Dasitzenden einlegen, aber der Gewaltige sah ihn strenge an, wenigstens gab er sich Mühe, seine aufsteigende Weichheit zu verbergen.
    »Ich weiß, was ich zu tun habe, Menes!« unterbrach er ihn, »deine Herzensgüte macht deinem Verstande keine Ehre, sie ist hier nicht am Platz. Menschen wie diese verdienen das Leben weniger wie die Tiere, mein großer Vater Râ würde mir zürnen, wenn ich länger seine heiligen Strahlen auf diese Sünder fallen ließe, wenn ich duldete, daß ihre verfluchten Sohlen die Erde länger beflecken.«
    »Aber dein Sohn, o Herr!« wagte Menes zaghaft einzuwenden.
    Über das strenge Gesicht des Fürsten glitt ein unendlich schmerzhafter Zug, er biß sich auf die Lippen.
    »Ich habe keinen Sohn!« sagte er tonlos. »Ich habe kein Weib!«
    Dann mußte sich der starke Mann an der Schulter seines Freundes halten, um nicht umzusinken.
    »Hört mich, ihr Unwürdigen,« begann er dann mit bebender Stimme die Verbrecher anzureden, die nun durch deutliche Zeichen ihre innere Angst verrieten. »Hört mich! Euer Leben ist beendet, schließt mit euern Göttern den Bund, ihr verlaßt diesen Saal nicht mehr.«
    Ein lang hinhallendes Klagegeheul unterbrach die Stimme des erzürnten Monarchen. Menes verließ die Türe, er konnte diesen Anblick nicht länger ertragen, denn seinem Auge boten sich die entsetzlichsten Bilder der Todesangst dar.
    »Gnade! Gnade!« jammerten die Unglücklichen, von den Stühlen sinkend.
    »Dieser arme, gequälte Mensch,« rief der König, »Menes, an dem ihr unverzeihlich gefrevelt, bat mich edelmütig, dein Leben zu schonen, mein Sohn, aber was du getan, übersteigt zu sehr alles menschliche Maß, du mußt büßen, ich kann dir nicht verzeihen, vielleicht vermögen es die Götter. Lebe wohl, mein Sohn! Lebe wohl, mein Weib! Lebt alle wohl! Ich tue, was mir menschliches und göttliches Gesetz vorschreibt.«
    Eiligst verließ der König die Saaltüre, die nun von seinen Kriegern geschlossen ward, da die Verzweifelten unter herzzerreißendem Geschrei sich auf dieselbe stürzten, den Ausgang zu erzwingen. Einige sinken in Ohnmacht, andere zerreißen sich mit Messern die Glieder.
    Das bald darauf folgende dumpfe Brausen verkündete, daß die Wogen des Nilkanals sich in das Gemach wälzten; die Erde bebte unter ihrer zermalmenden Wucht. Grausen packte die mit dieser Massenhinrichtung beauftragten Krieger, als das Wimmern der Ertrinkenden tief aus dem Schlund der Erde emporstieg, allmählich verschwebte und schließlich ganz verstummte. Der Mond sah mit schweigender Melancholie vom Himmel herab auf das zum Riesengrabmal gewordene Haus.

    Siebentes Kapitel
    Mehrere Tage waren verflossen. Noch lag es in des Königs Zügen, als hätte das Schicksal einen ewigen Kummer auf dieselben meißeln wollen, tatlos schlich er bei Tage durch seinen Palast, in der Nacht hörten ihn seine Diener stöhnen. Man fand am Morgen der furchtbaren Nacht einen Stab, den der Herrscher durchnagt hatte, so sehr fraß er seinen eigenen Jammer wieder, so wenig vermochte er anfangs Herrscher seines Zustandes zu werden. Menes hatte sich von den Schrecken seiner Einkerkerung erholt und suchte seinem Herrn das Seelenweh tragen zu helfen, was ihm auch insoweit gelang, als derselbe allmählich

Weitere Kostenlose Bücher