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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Tänzerfüßen des Thrones geheiligte Stufen zu betreten! Sie zweifelte keinen Augenblick daran, daß man sie geradewegs in den Palast des Königs trage, und schon war ihr ränkevoller Geist mit dem Plane beschäftigt, die Gattin des Monarchen, die sittenstrenge Urmaa nofru-ra (eine Tochter des Königs von Syrien) aus den Armen ihres Gemahls zu verdrängen. Zitternd umklammerte sie den Nacken ihres Trägers und manchmal krauste sie dem schnaubenden Riesen zärtlich hinter den Ohren, der alsdann durch ein leises Kichern sein Wohlgefallen ausdrückte. Jetzt fühlte sie, daß er eine Treppe hinanklomm, flüsternde Stimmen umschwirrten ihr Ohr, durch das verhüllende Tuch glänzten Lichter, dicht neben sich hörte sie die Stimme jenes Priesters, der sie besucht. Sie drückte die Augen zu und ein Beben der Erwartung überlief ihren Leib . . . die langersehnte Minute schien gekommen.

Zweiter Teil
    Erstes Kapitel
    Im Parke der reichen Witwe Asso steht ein kleiner tempelartiger Bau, um dessen Dach breite Sykomoren rauschen, die das Silber des Mondes, das auf ihren Blättern ruht, herniederträufeln in die Spalten, die Gesimse und Fenster des zierlichen Häuschens. Rings um dasselbe zieht sich dichtes Gebüsch, welches sich auffallenderweise, trotz der vollkommenen Windstille unaufhörlich bewegt. Bald blinkt es in seinem finsteren Geäst hell auf, bald glaubt man, es sei lebendig geworden und werde nächstens davoneilen. Zuweilen fällt greller Fackelschimmer auf die Wand des Pavillons, dann liegt er wieder völlig im Dunkeln. Zuweilen knirscht der Kies unter der Wucht eines Schrittes, bald verstummt jedes Geräusch in der Umgebung des Hauses. Auch aus den Fensterläden des Tempels blitzt es manchmal; die aufgescheuchten Nachtvögel und Schmetterlinge umkreisen ängstlich seinen bemalten First und setzen sich auf den Katzenkopf der kleinen Sechetstatue, die sich an den rechten Türposten lehnt, und die verwundert ihr schwarzes Gesicht in die Nacht hinausstreckt. Sieht sie nicht die kleine schwarze Sechet, wie sich eine dunkle Gestalt bis an die Türe schleicht? Die Gestalt legt das Ohr dicht an die Bretter, winkt einmal nach dem Gebüsch zurück, in welchem ein weißer Mantel auftaucht und zieht sich sodann wieder auf den Zehen zurück. Was hat das zu bedeuten? fragt sich die schwarze Sechet, aber ihre Marmorarme liegen fest auf ihrer Brust, sie kann sie nicht erheben, um an die Türe zu pochen; sie kann nicht, was sie vielleicht gerne täte, ihre Stimme erheben, um den Bewohnern des Tempels, ihren Schützlingen, ein warnendes Zeichen zu geben. Denn, während die Umgebung des Gartenhäuschens unheimlich im gedämpften Glanze der Fackeln erzittert, bergen sich in seinem Inneren zwei Glückliche, die keine Ahnung haben von dem, was sich um sie her bereitet. In dem reich ausgestatteten Gemach sehen wir auf einem von goldenen Füßen getragenen Ruhelager, eine blasse, zarte Mädchengestalt, zu deren Füßen ein junger Mann auf kostbar eingelegtem Schemel sitzt, die Hände des Mädchens von Zeit zu Zeit innig an seine Lippen drückend. Er hält einen Stift in den Fingern und versucht die Züge des Mädchens auf eine Papyrusrolle zu zeichnen, wobei er erst auf das Mädchen, dann auf das Blatt schaut, auf dem sich Linie an Linie reiht. Auf dem runden, farbenstrahlenden Tische aus edelm Holz brennt eine zierliche Lampe; die Wände des kleinen Gemachs sind teils vergoldet, teils bemalt; von der Decke herab hüllen assyrische Teppiche die Fenster und geben dem ganzen Raum eine behagliche Stimmung. Niedliche Glasgefäße glänzen in den Nischen, und die grüne Statue der Isis thront vor einem kleinen Zimmeraltar. Der junge Mann hält mit seiner Arbeit inne, da das Mädchen ihr Gesicht plötzlich abwendet.
    »Zeichne mich nicht,« bittet sie, »ich bin nicht schön genug dazu.«
    Sauft nimmt sie ihm Stift und Blatt aus den Fingern, errötend ihr Bild betrachtend.
    »Es mag ähnlich sein,« fährt sie fort, »aber ich kann mich nicht selbst betrachten ohne Abscheu. Lege es weg.«
    »Ich hätte so gerne deine Züge aufbewahrt,« entgegnet ihr der Jüngling mild.
    Sie schüttelt den Kopf wehmütig lächelnd.
    »Das taugt nicht,« flüstert sie.
    »Warum?«
    »Es kommt nur vor wie ein Unrecht gegen den Schöpfer, ihm nachmachen zu wollen, was er so viel schöner geschaffen,« spricht sie mit gesenkter Stirne.
    »Mir graut immer, wenn ich Bilder sehe. Eure Gemälde in den Tempeln kann ich nie betrachten ohne Angst. Mir ist dann, als

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