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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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längst zur Ruhe gegangen, der ganze Palast schläft wie ein Grab. Komm, lege dein niedliches Haupt an meine Wange und laß uns träumen von seliger Zukunft. Dieser Tempel war, erzählt man, von je der Liebe geweiht; unsere Voreltern sollen darin der Astarte geopfert haben, und ich will es gerne glauben, denn ich fühle noch ihre bestrickenden Weihrauchdünste wehen, die sich in den Tapeten festgesetzt. Auch erzählt man, König Seti habe, als er einst bei meinem Vater gewohnt, hier in diesem Tempel eine Jüdin heimlicherweise geliebt.«
    Als Menes nun auf die Zukunft zu sprechen kam, wollte Myrrah hiervon nichts wissen. Auch der leiseste Gedanke an ihre Zukunft erweckte ihr Grauen. Sie fühlte, daß eine Ehe zwischen ihr und Menes so unmöglich sei, als wenn man die Pyramide des Cheops durch ihren Ohrring hätte drängen wollen.
    »Eher,« sprach sie mit aufgeregter, zitternder Stimme, »eher wird die Lybische Wüste ein See, als uns deine Götter das Glück der Vereinigung bereiten.«
    Menes wendete verschiedenes ein, auch von Flucht sprach er. Nach Äthiopien wollten sie entfliehen, sich in den Bergwerken verbergen, oder sie wollten eine Oase in der Wüste aufsuchen, um dort von der Welt geschieden zu leben wie zwei Vögel. Myrrah, weniger schwärmerischen Sinnes als Menes, wies ihm die Unmöglichkeit des Fluchtversuches nach.
    »Nein,« sprach sie leise, »schweige mir von solchen Träumereien; unser Glück besteht darin, daß wir mit einander unglücklich sein dürfen. Das ist das einzige, was uns das Schicksal erlaubt, mein süßer Freund.«
    Sie fiel ihm um den Hals, während sie unter Tränen schluchzte: »Oh, warum mußte es soweit zwischen uns kommen. Warum folgte ich dir hierher, warum rettetest du mich, als es mein Wille war, dem Leben zu entsagen, aus dem Rachen des Krokodils. Und doch! wenn ich dir ins Auge schaue, wenn ich am Klopfen deines warmen Herzens fühle, wie du mich liebst, o! dann muß ich mir doch gestehen, daß es noch ein Glück für mich gibt, daß deine Liebe die Bitterkeit meines Schicksals versüßt und meinem Leben einen Wert verleiht – ja! ich will leben und leiden um deinetwillen.«
    Menes beugte sich in unendlicher Ergriffenheit über das schmerztrunkene Mädchen, die Worte versagten ihm, er vermochte ihr nur durch Streicheln, Küsse und Liebkosungen anzudeuten, daß er alles Weh, das er über sie gebracht, mit ihr teilen wollte, daß er keinen anderen Gedanken im Herzen trage, als sich ihrem Dienste zu weihen, mit derselben Begeisterung, wie sich ein junger Priester seinem Gotte weiht. Myrrah sank endlich ermattet auf ihr Lager zurück, ihr Schmerz löste sich in weiche Wehmut auf, sie sprach nur noch davon, wie sie ihn unglücklich gemacht, da er die elende Jüdin liebe, und häufte Schmähungen auf sich selbst. Eben wollte Menes ihr sagen, daß sie ihn beleidige, wenn sie behaupte, er habe sein Herz an einen (wie sie sich selbst nenne) unwürdigen Gegenstand gehängt, als ein Geräusch, das auch ihn aufschreckte, die Stille des Gemaches unterbrach.
    »Sagte ich es nicht,« flüsterte die bebende Myrrah, »wir sind belauscht. O Jehova, schütze uns.«
    »Stille,« hauchte Menes, »laß uns horchen.«
    Leise ward am Riegel der Tür geschoben, er klirrte.
    »Es ist, wie ich sagte,« lispelte das Mädchen im Tone der Verzweiflung, »wir sind verloren.«
    Menes' Gedanken begannen sich bei dieser Entdeckung zu verwirren, er starrte nach der Tür, als sollte ihm von dort ein Geist erscheinen; erst das barsche Wort: »Aufgemacht!« welches in das Gemach gerufen wurde, flößte wieder Leben in den Versteinerten. Er eilte an das Fenster, nach vieler Mühe gelang es ihm, dasselbe zu öffnen; schwarze, hinhuschende Gestalten, blutroter Fackelglanz, das Gemurmel vieler Stimmen belehrten ihn, daß hier kein Ausweg sei. Nun wurden Werkzeuge an das Schloß gelegt, er erkannte deutlich die befehlende Stimme seiner Mutter, eine Stimme so schneidig, so hart, daß er unwillkürlich nach der armen, in ihre Tücher gehüllten Myrrah blicken mußte, denn es war ihm, als könne dieser lieblose Ton dies zarte Herz durchbohren. Welch einem Auftritt sah er entgegen! Er hätte Tränen des Ingrimms weinen mögen, obgleich er sich vorkam, wie ein ungezogenes Kind, das Strafe verdient hat und das nun vor der Geißel seines Meisters steht. Er hatte den herabgefallenen Fenstervorhang über Myrrah ausgebreitet, kaum aber war ihm klar geworden, welche klägliche Rolle er, sobald sich die Türe öffnete,

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