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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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spielen mußte, so stieg ein lebhaftes Trotzgefühl in ihm auf, mit einem entschiedenen Ruck befreite er Myrrah von der Umhüllung.
    »Nein,« rief er, »sie soll mich nicht gleich einem Verbrecher, der sein Verbrechen verbergen möchte, vor sich zittern sehen.«
    Sein für gewöhnlich so zaghafter Charakter konnte in entscheidenden Momenten eine ungewöhnliche, fast übertriebene Festigkeit annehmen. Er blickte mit düsterem Trotz nach der Türe, die unter den Axtschlägen seiner Feinde erbebte.
    »Hast du eine Ahnung davon,« frug er seine Geliebte, »wer uns verraten hat?«
    Diese jedoch vermochte nicht mehr zu reden, sie klammerte sich zitternd am Arm ihres Freundes fest. Die Türe erknirschte, keine Minute lang konnte sie mehr widerstehen. Mit pochenden Schläfen saß der Verratene da und sah die Türe zusammensinken, ihm war zumute, als könne er alle seine Verfolger mit dem Blitz seines Auges niederwerfen.
    »Laß sie kommen, mein Kind,« sagte er, »wen soll ich fürchten? Doch meine Mutter nicht? Und wenn ich sie fürchten muß, nun, so soll auch sie mich fürchten lernen, denn ihr Sohn verantwortet, was er getan, und opfert mit Freuden die Liebe seiner Mutter, wenn er die deinige dafür gewinnen kann. O, so ist's recht! schlagt zu, ihr Äxte. Ich benutze diese Gelegenheit mit Freuden, meiner Mutter zu zeigen, wen sie eigentlich zum Sohne hat und wie weit ihre Herrschaft über mein Leben geht.«
    Kaum hatte er die Worte gesprochen, so fiel prasselnd die Türe ins Zimmer. An der Türe erschien alsbald Rebekka, mit schlauem Gesicht auf das Paar deutend und wieder in der Dunkelheit verschwindend. Menes hatte der Tür absichtlich den Rücken gekehrt, er saß so stille, so sicher, als kümmere ihn der Überfall nicht und als gälte er einem anderen. Eine Hand, die sich schwer auf seine Schulter legte, veranlaßte ihn, den Kopf zu heben. Er stand langsam auf.
    »Du, liebe Mutter?« sprach er höflich, »nimm dir einen Stuhl, setze dich nieder.«
    Mit diesen Worten stellte er einen Stuhl neben Asso, die keines Wortes mächtig, mit verglasten Augen, bald Menes, bald die schluchzende Myrrah ansah.
    »Bitte, nimm Platz,« wiederholte Menes mit erzwungener Gleichgültigkeit, während seine Mutter, durch das ernste, gefaßte Benehmen ihres Sohnes völlig in Verwirrung gesetzt, vergeblich danach rang, die Wut, die Entrüstung, die in ihr kochte, durch Worte zum Ausdruck zu bringen.
    »Du erstaunst, liebe Mutter? Nicht doch! Das solltest du nicht. Ich bin dir Aufklärung schuldig und will nun offen sein. Höre mich also an! Vorerst vernimm, wer jenes Mädchen, das du hier bei mir siehst, ist, und unter welchen Umständen ich sie in meinen Schutz genommen.«
    Nachdem Menes, scheinbar völlig gefaßt, einige Diener zurückgewiesen, die sich in die Tür gedrängt hatten, um Zeuge des Auftrittes zu sein, begann er ruhig seine Erzählung. Er hob besonders hervor, daß Myrrah ihm einst das Leben gerettet, und gab deutlich zu verstehen, daß er sie liebe, auch entschuldigte er seine Heimlichkeit nicht, ließ aber durchblicken, daß ihm nicht viel daran gelegen sei, wie dieselbe von seiner Mutter aufgefaßt wurde. Es war das erstemal, daß Menes in Gegenwart seiner Mutter zeigte, er habe einen eigenen Willen; noch niemals hatte er mit solcher Sicherheit geredet, noch nie so fest seine Rechte verteidigt. Dies imponierte der Frau! Sie fühlte etwas von der Geistesüberlegenheit des Mannes über das Weib, einen Augenblick war sie in der Tat von dem entschiedenen Benehmen des Jünglings eingeschüchtert.
    »Du bist in kurzer Zeit zum Manne gereift,« sagte sie verlegen.
    »Du hast recht,« erwiderte er, »die Liebe hat mein Gemüt gekräftigt. Ich überschaue die Welt von einem höheren Standpunkt aus und weiß auch nun, wie weit die Rechte eines jeden gehen.«
    »Du willst mir, wie es scheint, das Recht verweigern, in dieser deiner Angelegenheit mitzureden – ist es so?«
    »Es kommt darauf an, was du für Rechte geltend machst,« sagte er kalt.
    »Und wenn ich nun deinen Schritt verwerfe?«
    »Wer hindert dich daran, das zu tun?« sagte er lächelnd, »aber wer hindert mich daran, deine Verwerfung nicht zu beachten?«
    Asso schoß einen bösen Blick auf ihren Sohn; sie fühlte, daß sie ihm gegenüber ziemlich machtlos dastand, desto heißer konzentrierte sich ihre Wut auf die Jüdin. Vielleicht wäre ihr Grimm nicht so rasch zum Ausbruch gekommen, wenn nicht Myrrah, der es unerträglich war, Mutter und Sohn in Feindschaft geraten

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