Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
weiter,« sagte der König, dem es doch nach und nach unheimlich zu werden anfing, als sie sich immer tiefer in den Gebüschen des Parkes verloren. Sie waren am Teiche vorbeigekommen, waren durch die Akazienreihe gewandelt, hatten den kleinen Obelisken hinter sich gelassen und bogen nun in ein Palmenwäldchen ein.
Ramses sah beunruhigt rings in Büsche und Hecken, innerlich seinen tollkühnen Schritt bereuend. Wenn jetzt drei bis vier Bewaffnete über ihn herfielen, war er verloren.
»Wohin führst du mich?« rief er mit beklommener, fast zürnender Stimme, indem er stehen blieb.
»Seht Ihr dort dies weiße Dach?« sagte Psenophis ruhig, »das weiße Dach, welches aus den Palmenwipfeln ragt?«
»Mein Badehaus?« frug sein Gebieter erstaunt.
»Das ist unser Ziel.«
Sie schritten weiter; das Badehaus war bald erreicht; unheimlich hallten ihre Schritte in der leeren, einsamen Rotunde wider, deren Pfeilerwände gespenstig im Mondscheine schimmerten. Am liebsten wäre der König hier wieder umgekehrt, das Herz begann ihm heftig zu schlagen, in jedem Winkel, jedem Schatten vermutete er Verräter, doch da er sich nun so weit eingelassen, war Umkehr eine Unmöglichkeit, jetzt galt es, den aufsteigenden Verdacht zu bekämpfen und im Notfalle königlichen Mut zu zeigen. Starken Trittes folgte er dem Priester durch die lange, schattenwerfende Säulenhalle in das kleine Vorgemach des Badesaals.
»Und was nun?« frug Ramses mit lauter, in dem Raum widerhallender Stimme, als sie in dem behaglichen Gemach standen.
»Habt die Gnade, durch diesen Vorhang in das Innere des Badesaals zu schauen,« lächelte Psenophis, »möglich, daß Ihr etwas erblickt, was Euch nicht ganz unbekannt ist. Ich bin es, der Euch durch diesen unerwarteten Anblick zu erfreuen suchte.«
»Ich glaube, du willst mich zum besten haben, Psenophis?« rief der König, auf den Marmorboden stampfend; »welch törichte Spielerei treibst du mit mir. Bin ich ein Kind? Ich bin gewillt, sofort umzukehren.«
»Ich flehe Euch an, hoher Herr,« entgegnete der Oberpriester, »werft einen Blick durch den Vorhang, ehe Ihr geht, dann wird sich Euch das Rätsel meines Betragens lösen.«
Der König näherte sich verdrießlich der Spalte des Teppichs, schlug sie ein wenig auseinander, prallte aber, als er kaum den Kopf hindurch gesteckt, wie es schien, nicht unangenehm überrascht, zurück. Was sah er dort? Er sah über der smaragdenen Flut des Marmorbeckens eine tiefblaue Ampel schweben, deren geheimnisvolle Glut auf ein dicht an das Becken geschmiegtes Leopardenfell niederströmte. Auf dem fleckigen Felle lag, lang ausgestreckt, behaglich den Kopf hinten überhängend, ein nacktes Weib, dessen glatter, weißer Leib noch von den Perlen des genommenen Bades besprüht war. Nun hob sie den schlangenhaften Arm, zog sich den Schleier vom Gesicht und richtete ihr schmachtenddunkles Auge mit dem Ausdruck glühenden Verlangens nach dem Teppich, zugleich einen heißen, sehnsüchtigen Seufzer hören lassend. Dem König drang dieser Blick gleich einem feurigen Dolch in die Brust; erbleichend fuhr er zurück.
»Psenophis, ist dies – ist dies nicht die Jüdin von Memphis – Rebekka?« flüsterte er, tief aufatmend.
Aber es war kein Psenophis mehr zu sehen, er hatte sich unbemerkt entfernt, statt seiner stand ein grinsender Negersklave im Gemach.
Die Schöne drehte sich ein wenig auf ihrem Lager um, mit beiden Armen verlangend in die leere Luft greifend, als könne sie dieser an ihrer warmen Brust Leben einhauchen. Ramses hatte richtig erkannt, Rebekka, die Jüdin, lag vor seinen Blicken, die Tänzerin, deren Liebe erweckende Bewegungen er in Memphis bewundert. Noch einige Minuten hindurch beobachtete der König die Tänzerin; wäre er nicht durch diesen süßen Anblick bis zur Trunkenheit hingerissen gewesen, er hätte bemerken müssen, daß die schöne Rebekka wohl wußte, wer sie beobachte, daß ihr verlangendes Armausbreiten, das Seufzen, das Blickeschleudern künstlich einstudiert war, Liebeslust im Busen ihres Beschauers zu erregen, denn Psenophis hatte das Mädchen unter sehr schmeichelhaften Bedingungen nach Theben eingeladen, damit es ihr gelänge, den König zu fesseln.
Ramses gab dem Schwarzen, der erwartungsvoll hinter ihm stand, einen Wink, ihm zuflüsternd, er wünsche Rebekka im Palast innerhalb einer Stunde zu sprechen, man möge sie ungesehen zu ihm führen. Als sich Ramses entfernte, trat aus dem Schatten der letzten Säule der Oberpriester
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