Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
solches Gebäude dringen kann. Der Schatzmeister muß sich geirrt haben.«
Der Schatzmeister schwur, er habe sich nicht geirrt.
»Dann,« sprach die Jüdin, »ist nur eines möglich.«
»Nun?«
»Daß einer der Wächter des Schatzes der Dieb war, denn wer sollte sich durch solche Mauern erschleichen?«
Der Schatzmeister erklärte, es sei völlig unmöglich, daß einer seiner Wächter auch nur das kleinste Goldkorn zu sich stecken könne, denn er ließe jeden derselben, sobald er das Gewölbe verlassen, sich entkleiden und einer genauen Untersuchung unterwerfen. Rebekka bekämpfte ihre Verlegenheit; die Sache sei höchst rätselhaft, meinte sie, wodurch sie den anderen nichts Neues sagte. Der König gab hierauf den Befehl, heimliche Wachen um das Gebäude zu verteilen, und den Gang, der in dasselbe führte, mit einer eisernen Falle zu versehen, die den Dieb, wenn er eintrete, umklammere. Im übrigen tröstete er den armen Schatzmeister und versicherte ihn seiner Gnade. Rebekka beschloß sogleich ihrem Bruder zu schreiben, um ihm den Besuch des Schatzhauses ernstlich zu verbieten. Sie teilte ihm diesen Vorfall, dessen Zeugin sie war, bis in die kleinsten Einzelheiten mit und bat ihn, Myrrah nicht zu strenge zu behandeln, da sie doch immerhin königliches Blut in den Adern trüge.
Zweites Kapitel.
Einige Tage später lag Rebekka auf ihrem Ruhebett; der Tisch trug noch die Überreste eines Mahles – halbgeleerte Geschirre, vergossenen Wein. Das Fenster war geschlossen, träumerische Stille ringsum. Der König hatte sie eben erst verlassen; Müdigkeit senkte sich schwer auf ihre Augenlider herab, kaum vermochte sie den nahenden Schlaf mehr zu verbannen. Sie sah die verlöschende Lampe nur noch wie durch einen Schleier aufzucken, die bunten Ornamente an der Wand verschwammen vor ihren halbgeschlossenen Augen zu schwebenden Schatten, es fehlte nur noch eine halbe Sekunde, so versank ihr Geist völlig in jenem angenehmen Tod, den wir Schlaf nennen. Eben stellte sie noch eine letzte, ihr kaum mehr bewußte Betrachtung über den roten Isiskopf an, der mit schlauem Lächeln vom Getäfel zu ihr herübersah, schon begann der Isiskopf zu nicken, die Augen zu verdrehen, so daß sie fühlte, wie sich jetzt ein bizarrer Traum von verrückt gewordenen, Grimassen schneidenden Göttern ihres Geistes bemächtigen wollte, da – war das Traum oder Wirklichkeit? Da schien es ihr, als ob sich die Wand samt dem Isiskopfe leise bewege, zurückschob, und schließlich eine Öffnung bloßlegte. Noch war sie geneigt, auch dieses Bild für die Vorspielungen eines Traumes zu halten, als in dieser freigewordenen, schwarzen Öffnung ein Mann auftauchte, eintrat, die Wand nieder schloß und dicht bis vor ihr Lager schlich. Nun raffte sie sich aus ihrer Schlaftrunkenheit empor. Einen Schrei ausstoßend, sprang sie auf – die Gestalt zerfloß nicht in der Luft, sie war kein Gebilde entfesselter Phantasie. »Was willst du? Wer bist du?« keuchte die zum Tod Erschrockene.
»Wie, hast du mich schon vergessen, kleines Kätzchen?« sagte die Gestalt. »Und bin ich es doch, der dich hier an den Hof brachte, dein Glück gründete.«
Jetzt erkannte Rebekka den Eindringling; er war es, der sie in Memphis dem König vorgeführt, der sie als Werkzeug benutzt, den Monarchen zu umgarnen.
»Du – Psenophis – der Oberpriester?« frug sie. »Ach! Du hast mich sehr erschreckt! Was willst du von mir in so später Nachtstunde? Du gehst geheimnisvolle Wege, wie es scheint.«
»Ja, mein Kind,« lächelte er. »Wir müssen unsere Zuflucht zu seltsamen Mitteln nehmen, wenn wir unseren Zweck erreichen wollen. Jetzt laß uns aber von der bewußten Angelegenheit sprechen. Du erinnerst dich ja noch, unter welcher Bedingung ich dich hierher beschied, ich dein Glück förderte.«
»Bedingungen?« frug Rebekka.
»Ja! Ja! Ei! schon vergessen,« gab Psenophis schlau-freundlich zurück, ihre Wangen streichelnd. »Gutes Mäuschen! versprachst du mir nicht, zu unseren Diensten zu stehen, wenn ich dich von Memphis nach Theben befördere? Du hast nun mit meiner Hilfe erreicht, was du innig wünschtest. Ein Dienst ist des anderen wert, ich fordere nun den deinigen; jetzt zeige, daß du dankbar bist. Habe ich dir nicht zwei kostbare Armbänder auf unseres Prinzen Befehl geschenkt, damit du – nun, fällt es dir ein –?«
»O Gott! o Gott!« stöhnte Rebekka dumpf, ihre Hand an die erblassende Stirne drückend, »ich dachte nie daran, daß ihr es ernst meintet – ich
Weitere Kostenlose Bücher