Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
hervor.
»Zürnt mein Gebieter?« frug der Schlaue.
Der König drückte ihm freundschaftlich die Hand. Sein Verdacht gegen diesen Menschen war verflogen. Psenophis aber, als der König weiterschritt, sah ihm mit solch hinterlistigem, befriedigtem Lächeln nach, daß, hätte dies der Monarch erblickt, es sein Mißtrauen nur noch dringender wachgerufen haben würde. Der Sklave brachte die erwartungsvolle Rebekka in den Palast; bald öffneten sich ihr die Gemächer des Königs und darauf erschien er selbst, sich in eine eifrige Unterhaltung mit ihr einlassend. Diese Unterhaltung würzte die Jüdin mit solchem Witz, mit solch feiner, schelmischer Gefallsucht, daß von diesem Abend an ihr Schicksal entschieden war. Der König ward von ihren Launen bis zur Heiterkeit hingerissen; seine Umgebung kannte den ernsten Mann kaum mehr wieder, und alle dankten der schönen Jüdin, daß sie das Herz ihres Herrn in eine immerwährende Fröhlichkeit zu versetzen wußte. Nur die nächste Umgebung schüttelte den Kopf zu des Königs neuer Leidenschaft. Unter diesen war besonders ein alter Diener, welcher bemerkt haben wollte, daß die Jüdin mehreremal zur Nachtzeit verdächtigen Besuch empfing, der sich erst gegen Morgen aus ihren Zimmern entfernte, auch beteuerte er, gesehen zu haben, daß sie den Palast, sobald der König sich in seine Gemächer zurückgezogen habe, verließ. Der alte Mann teilte seine Entdeckungen Menes mit; dieser ließ Rebekka beobachten, aber seine Wachsamkeit führte zu keinem entscheidenden Resultat. Der König, dem man von diesen unsicheren Verdächtigungen nichts mitgeteilt, besuchte seine Geliebte eifriger wie zuvor; hier fand er, was er verlangte, Genuß, Erholung, Zerstreuung; hier durfte er sich der Strahlenkrone der Majestät entkleiden, hier durfte er Mensch sein, und die ehrgeizige Jüdin, die ihr Ziel erreicht hatte, wußte den Hohen von Tag zu Tag mehr an sich zu fesseln.
In ihrem Zimmer, das der König abendlich besuchte, saßen, wie eine zum Galadiner geladene Höflingsschar, 8 bis 10 Papageien, die alle: »Ramses, ich liebe dich!« rufen konnten, sobald der Herrscher eintrat. Sie ließ es sich nicht nehmen, den König auf die Jagd zu begleiten, sie tanzte vor ihm, sie fuhr mit ihm auf dem Nil. Anfangs diente ihr der König nur zur Befriedigung ihrer Eitelkeit; sie sah in ihm eine reiche Goldquelle, doch bald heuchelte sie nicht mehr Liebesglück, sie empfand es in der Tat, denn Ramses war ein stattlicher Fürst, für den sich ein Weib leicht begeistern konnte. Urmaa-nofru-râ hatte natürlicherweise, obgleich man es ihr zu verheimlichen wünschte, rasch Kunde erhalten, daß eine Jüdin sie verdrängt aus den Armen ihres Gatten. Sie war einmal in das Gemach der Jüdin gedrungen, als diese soeben den geliebten Monarchen erwartete. Die Wut, die Eifersucht der hohen Frau kannte keine Grenzen; eine ägyptische Obstverkäuferin hätte nicht schlimmer schmähen können.
»Königin,« erwiderte Rebekka trocken, »warum tobt Ihr? Warum schmäht Ihr mich? Sucht Euch doch die Liebe Eures Gatten zu erwerben, wie ich es getan, ich verhindere Euch daran durchaus nicht. Sprecht die Wahrheit: Habt Ihr versucht, Euren Gatten an Euch zu fesseln? Habt Ihr ihn nicht vielmehr auf alle Weise zurückgeschreckt?«
Die Königin vermochte hierauf nichts zu erwidern, sie ging, Drohungen ausstoßend.
Rebekka hatte sich vorsichtig nach der Abstammung Myrrahs erkundigt. Der König wußte von einem mit einer Jüdin erzeugten Kinde seines Vaters, war aber der festen Meinung, dieses Kind lebe längst nicht mehr, es sei verschollen. Die schlau sondierende Rebekka verhehlte ihm natürlich den Fund des Dokuments in der Schatzkammer; leichtfertig sprang sie auf ein anderes Thema über, im Inneren die unangenehme Gewißheit verbergend, daß Myrrah dies verschollen geglaubte Königskind sei. Ihr Trost war, daß ja kein Sterblicher das Geheimnis ahne; Dinge, von denen niemand weiß, sind so gut wie nicht vorhanden; wozu also Befürchtungen hegen?
Eines Abends besuchte sie Ramses. Ermüdet von den anstrengenden Regierungsgeschäften war er auf die Polster gesunken. Sie bot ihm mit verführerischem Lächeln Speise und Trank. Da der König ermattet schwieg, nahm sie einen der Papageien auf die Hand, mit ihm ihr Spiel zu treiben, was dem König ein leichtes Lächeln abnötigte.
»Mein Gebieter weilt nicht bei mir,« sagte Rebekka, ihn mit ihren kühlen, weichen Armen umstrickend, »sein Geist weilt bei Traurigem.«
»Ich bin in
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