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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Nur gehörte diese Auseinandersetzung gar nicht hier her. Er kam vom Hundertsten ins Tausendste und endigte schließlich bei den Ausgrabungen Schliemanns in Troja. Seine Gattin schrieb im Nebenzimmer an ihrem Göthebuch, Eduard spielte im Salon auf dem Flügel.
    Emma machte den Direktor darauf aufmerksam, daß er vom Thema abschweife, was er damit beantwortete, daß er nun zur griechischen Skulptur überging. Dabei bemerkte sie mit Befremden, daß er das eigentlich Künstlerische der Werke ganz außer Acht ließ, vielleicht auch kaum verstand, daß es ihm hauptsächlich nur darauf ankam, die vorhandenen Kunstwerke in Perioden einzuteilen und festzustellen, unter welchen politischen Verhältnissen sie etwa entstanden sein konnten. Kurzum, das was man aus Büchern lernen kann, hatte er genau inne; das was angeboren sein muß, das künstlerische Empfinden, kam wenig zu Wort.
    Nun hatte sich auch Karl eingefunden und sie begrüßte ihn als Studenten.
    »Hoffentlich,« meinte sein Vater, »wird er auch wirklich studieren. Man macht nämlich oft die Erfahrung, daß begabte Schüler seines Schlags das Gymnasium glänzend absolvieren, dann aber als Studenten verbummeln.«
    »Fürchten sie das bei Karl?« fragte Emma.
    »Ja!« sagte der Direktor mit einem Seitenblick auf sein Kind. »Er haßt jedes trockne Studium; was ihm nicht gleichsam von selbst anfliegt, begreift er nicht. Dazu seine phantastischen ästhetischen Anwandlungen . . . Kurz ich fürchte Schlimmes.«
    Karl ging auf dies Thema nicht ein. Er wolle vom Vortrag des Vaters profitieren, erklärte er; dabei lächelte er eigen, verhielt sich aber sonst sehr zurückhaltend. Als er gelegentlich andeutete: Hier, in anatomischen Fragen, scheine ihm der Vater doch über Gegenstände zu urteilen, von denen er nur sehr undeutliche Vorstellung habe, gab der Direktor es großmütig zu.
    »Ja, sehen Sie, das ist eben der Mangel in unserer modernen Erziehung, den ich auch empfinde! Was nützt uns alles Wissen, wenn wir nicht schauen, künstlerisch schauen können! Unser Auge kennt die Schönheit des nackten Körpers zu wenig, man sollte der Jugend schon ein feines Formgefühl beibringen.«
    In dieser Beziehung konnte ihn sogar Fräulein Dorn, die lange Jahre gezeichnet und gemalt hatte, über manches belehren, was er auch dankbar anerkannte. Sein Einblick in die griechische Poesie war indessen tiefer, als der in die bildende Kunst. Doch schwärmte er besonders für die spärlichen Reste der antiken Malerei. Ganz begeistert erzählte er von den Köpfen mehrerer Männer und Frauen, die man auf Holz gemalt in Grabstätten gefunden hatte.
    »Solche Bildwerke,« meinte er, »wären gewiß noch viele zu finden, wenn nur ein zweiter Schliemann käme und tüchtig nachgraben ließe.«
    »Legen Sie soviel Wert auf diese Bilder?« fragte sie von einem seltsamen Ideengang durchblitzt.
    »Gewiß,« belehrte er. »In diesen Gemälden sehen wir sozusagen den alten Griechen durchs Auge in die Seele hinein, während wir in den Steinbildwerken eigentlich immer nur – das Fleisch sehen!«
    »Nun ja,« gab sie zu, »die Malerei gibt Stimmung, Charakter, Seele, besser wieder, als der kalte Stein.«
    »Die Alten stehen,« sagte er, »in diesen Farben wieder lebendig vor uns, fast wie in ihrer Poesie.«
    »Wissen Sie was, Herr Direktor,« lächelte sie, »wenn ich diesen Roman gut verkaufe, mache ich eine Reise nach Griechenland und durchforsche die alten Grabstätten und Trödelbuden des Orients. Wer weiß, – vielleicht entdecke ich ein antikes Gemälde.«
    Er lachte. »So unmöglich ist das gar nicht. So gut ein Schliemann alten Schmuck fand, könnte man auch noch ein altes Gemälde finden. Vielleicht hat schon mancher türkische Hirt oder osmanische Reiter sein Feuer mit einer kostbaren, von Apelles bemalten Holztafel angezündet . . . «
    »Gut, gut,« scherzte Emma. »Helfen Sie mir nur, daß mein Roman recht schön wird, ich reise für das Honorar nach Athen und bringe Ihnen ein Gemälde von Apelles eigener Hand mit . . .«
    Er schloß vor Entzücken die Augen.
    Dann las er ihr Stellen aus Theokrits Gedichten vor. Wenn er auch zuviel Wert auf das äußerlich Formelle legte, immerhin war ihr manche Bemerkung des Gelehrten wichtig. Besonders ergriff sie das düstre, von unheimlicher Eifersucht durchglühte Lied der verlassenen Simaitha, das er mit gutem Ausdruck vortrug.
    »Wie naiv ist das!« sagte sie bewegt, »und doch wie groß! wie weich, wie zart und zugleich wie wuchtig und

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