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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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wie Niobes, zu der sie jetzt die Blicke empor sandte.
    »Du weichst mir aus!« versetzte er. »Das ist verdächtig. Du antwortest nicht auf meine Frage.«
    »Steh ich etwa vorm Untersuchungsrichter?«
    »Diese Antwort ist nun auch wieder merkwürdig.«
    »Komm nur doch nicht ewig mit dem alten Unsinn! das wird nachgerade unerträglich beleidigend. Ich kann nicht mehr sagen als ich gesagt hab und werd jetzt überhaupt keine Antwort mehr geben.«
    Er schritt gequält, mit seinen dicken Fingern an den Hüften spielend, auf und ab. Es war düstrer geworden, Niobe war nur noch als ein weißes Gespenst sichtbar.
    »Du hast mich zwar gerettet,« murmelte er, »aber . . . hättest du mich untergehen lassen, – es wäre mir tausendmal lieber, . . . als das!«
    »Dein Mistrauen ist empörend! Doch kann ich mirs erklären. Wer selbst nicht reinen Herzens ist, kann es auch Anderen nicht zutrauen! Dein Vergehen zwingt dich förmlich dazu, überall Vergehen zu wittern.«
    »Hätt ich doch das Geld nicht angenommen!« seufzte der Anwalt, »ich bin nun weit unglücklicher als vorher! Ich kann beim besten Willen nicht an deine Unschuld glauben! – und wenn du mirs beschwörst, daß er dich nicht berührte! Ich möcht dich lieber tot sehen als von diesem ekelhaften Weihals angetastet . . .«
    Sie begann zu weinen. Eine tiefe Abspannung kam über sie, diese ewigen Anklagen ermatteten ihre Seele. Das düstre Zimmer kam ihr vor wie eine Folterkammer.
    »Wie soll ich dir beweisen . . .?« schluchzte sie. »Du glaubst mir nicht, ich kann reden, so viel ich will. – Frag ihn doch selbst!«
    »Ihn fragen?« lachte er höhnisch. »Du bist sehr naiv. Er wird mir wohl die Wahrheit sagen?«
    Sie merkte jetzt erst, daß sie in ihrer Nervenabspannung eine Dummheit gesagt und ärgerte sich darüber.
    »Tu was du willst!« stöhnte sie. »Mir ist alles eins.«
    »Aber,« entgegnete er »so gesteh wenigstens zu, daß er dir Anerbietungen gemacht. Nicht wahr? das hat er?«
    »Ich glaube,« sagte sie, »es wär dir wahrhaftig eine Erleichterung, wenn ich löge und sagte: ja! das hat er!«
    »Aha!« frohlockte er höhnisch. »Das hat er? Du gibst zu, daß er zudringlich geworden ist? daß er Wünsche angedeutet hat?«
    Sie schwieg. Er fragte noch einmal: »Gibst du das zu?«
    »Wenn dich das beruhigt,« sagte sie ganz kalt, »ja!«
    »Ja!« fuhr er auf. »So laß mich mehr hören! – Was hat er gesagt? Er hat also gesagt: Du sollst seine Geliebte werden? Gelt? Das hat er? Oder so ähnlich?«
    Sie schwieg. Er drang in sie, er faßte sie am Arm und zerrte sie wütend. Sie, empört über seine Behandlung, schrie: »Ja, ja, ja! das hat er und wenn du mich noch weiterquälst, so verlaß ich dich und werde seine Geliebte.«
    »Ah,« rief er, »das hat er also? O der Schurke! Das hat er? Er soll mir noch einmal ins Haus kommen! Ich erwürg den Schuft! Das hat er? Jedenfalls hat er dich auch geküßt? Gelt?«
    »Nein.«
    »Das glaub ich nicht! wer A sagt, muß auch B sagen und so wird das ganze Abece herunterdeklamiert.«
    Jetzt hielt sies nicht länger aus. »Ich hab mehr als meine Pflicht getan, und du verbitterst mir das Leben?! Wenn du mich nicht endlich in Ruhe läßt, lauf ich dir heut noch davon!« Sie schrie es wie wahnsinnig, so daß er es für geraten fand, einzulenken.
    »Nun ja! nun ja!« suchte er sie zu besänftigen. »Lassen wirs gut sein.«
    Doch wiederholten sich solche Szenen jetzt häufiger.
    »Du verdienst meine Aufopferung gar nicht!« sagte sie ihm manchmal. »Du bist weit roher als Weihals.«
    Der Anwalt suchte sich zwar zu beherrschen, konnte es aber doch nicht verhindern, daß seine krankhafte Eifersucht bei jeder Gelegenheit wieder zum Vorschein kam. Emilie ward durch dieses Mistrauen, diese ewige Nörgelei ganz schwermütig. Ja es kamen Augenblicke, wo sie sich selbst einbildete: Weihals habe sie erniedrigt. Schon der Umstand, daß sie nicht mehr zu ihrem Mann emporsehen konnte, wäre hinreichend gewesen, ihr Gemüt zu verdüstern. Sein unwürdiger Verdacht untergrub nun völlig ihre Nervenkraft.
    Wie es oft zu geschehen pflegt, so auch hier, die Folgen der Gemütserregungen stellten sich erst später ein. Im Anfang hielt sie der Kampf ums Dasein gewaltsam aufrecht, jetzt da verhältnismäßige Ruhe eingetreten war, brach sie zusammen. Eine tiefe Todessehnsucht beschlich sie.
    Als der Anwalt ihren Gemütszustand erkannt hatte, lenkte er ein und gab seiner Eifersucht nicht mehr die schroffen Formen wie früher, aber es war

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