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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Handlung weiterführen.«
    »Das sag ich Ihnen nicht,« lächelte sie;»Sie sollen in Spannung bleiben.«
    »Gut!« sagte er. »Seien wir gespannt.«
    Karl verhielt sich still beobachtend. Im Nebenzimmer fiel ein Buch zur Erde. Sofort verzog sich des Direktors eben noch so heitere Miene zu einer finsteren Maske. Karl fühlte, daß der jetzt unliebsam an seine Frau erinnerte Mann bei Emma eine Stütze, eine Erleichterung suchte. Er konnte sich ganz in die Lage seines Vaters setzen, als dieser jetzt mit zitternder Stimme sagte: »Ja, liebes Fräulein, besuchen Sie mich recht oft. Sehen Sie, die Unterhaltung mit Ihnen lenkt mich ab von so vielem Peinlichen . . . Ich fühle, daß ich Sie nicht leicht mehr entbehren könnte. Obwohl ich Sie noch nicht lange kenne, sind Sie mir ein Bedürfnis geworden; ich meine, ich müßte Ihnen meine geheimsten Herzensfalten enthüllen . . . Ich weiß, Sie verstehen mich.«
    Sie nickte, gerührt von der traurigen Miene, mit der er sie ansah. Karl fühlte, daß der Vater mit diesen Worten vor dem Sohn leise seine Zuneigung für Emma rechtfertigen wollte und er geriet dadurch in eine seltsame Gemütsverfassung: er bemitleidete den Vater, aber auch die Mutter . . .
    »Aber Papa,« begann er, »wieviel Peinliches könnte sich in Angenehmes verwandeln . . .«
    »So?« meinte Körn zwischen Ernst und Scherz schwankend. »So verwandle nur vor allen Dingen dich selbst ein wenig.«
    »Nein,« fuhr Karl errötend fort, zu Emma gewandt. »Ich spiele hier auf unsere Mutter an. Sie ist eine geistig hochstehende Frau und hat daher wenig Sinn für Haushaltung; das ist eigentlich das Einzige was man ihr vorwerfen kann.«
    »Das Einzige?« lächelte Körn trüb. ». . . Was ist denn das für ein Geruch?« unterbrach er sich ärgerlich, die Nasenflügel bewegend.
    »Ja,« sagte Emma, »ich rieche auch etwas . . . Brenzliches . . .«
    Der Direktor erhob sich und öffnete die Tür zum anstoßenden Zimmer. Ein dicker Qualm schlug ihm entgegen. Man sah durch diese trübe Rußwolke hindurch die Flamme der Lampe wie einen dunkelroten Punkt leuchten. Es gab zwar auch Gas im Hause, doch ward es in der Familie wenig benutzt, da das grelle Licht den Augen wehe tat.
    »Um Gotteswillen was ist da los?« hustete der Schulbeherrscher, einem Erstickungsanfall nahe und riß die Fenster auf, während Emma die Lampe herabschraubte.
    »Meine Forschungen!« klagte Katharina, als der Luftzug in ihre Zettel fuhr. »Es fliegt mir ja alles davon!«
    »Desto besser!« tobte der empörte Schultyrann.
    »Meine Studienblätter sind mir wichtiger als das bischen Rauch!« rief sie aus, eilte von Fenster zu Fenster, um sie wieder zu schließen. Er riß die Fenster von neuem auf, sie schlug sie wieder zu. Emma hatte Mühe ein Gelächter zu unterdrücken.
    »Da sehen Sie nun, was ich für einen Haushalt habe!« klagte der schwergeprüfte Mann und zog sich zornig in sein Studirzimmer zurück, während Fräulein Dorn sich mit diplomatischer Schlauheit nach den Forschungen der Frau Direktor erkundigte und durch die liebenswürdige Art, mit der sie auf alle ihre Schrullen einging, oder sie sogar zu verteidigen wußte, sich im Flug das Herz der gelehrten Dame eroberte.
    Später saß die ganze Familie am Teetisch, der diesmal tadellos mit kalten Speisen besetzt und sehr nett hergerichtet war. Die Frau Direktor wollte wieder einmal zeigen, daß sie auch eine tüchtige Hausfrau sein konnte.
    Da Konrad Stern seinen Freund besucht hatte, wurde er auch eingeladen. Mit seiner schnodderigen Redensart: »Diverse Schnäpse!« hatte er sich eingeführt, er murmelte sie auch während des Essens oft vor sich hin, so daß der Direktor einmal fragte: was er gesagt habe? Karl lachte, der fette Jüngling geriet in Verlegenheit und Karl klärte dann den Vater auf: sein Freund habe sich diese dumme Redensart so sehr angewöhnt, daß er sie bei jeder Gelegenheit von sich geben müsse.
    »Das sind,« sagte Emma, »solche ganz leise krankhafte Nervenstimmungen oder Zwangsideen. Manche Menschen müssen z. B. beständig ihre Westenknöpfe zählen. Andere fühlen den Drang plötzlich zu schreien oder um einen gewissen Stein auf der Straße dreimal herumzugehen.«
    Karl dachte an seinen krankhaften Haß und sagte: »Die Grenzlinie zwischen Gesundheit des Geistes und Krankheit läßt sich überhaupt nicht ziehen. So wenig als es einen ganz gesunden Körper gibt, so wenig gibt es einen völlig normalen Geist. Ich möchte fast sagen, ein bischen

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