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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Madl?«
    »O ja,« lächelte Karl drollig; »wems gfallt!«
    »Übrigens will ich dir was sagen: du liebst die Emma Dorn auch gar nicht.«
    »Wie?!«
    »Nein! Du steigerst dich nur künstlich mit deiner enormen Phantasie in diesen Seelenjammer hinein. Vielleicht grade deshalb, weil dein Vater sie verehrt.«
    Karl lächelte trüb. »Da magst du wohl recht haben,« sagte er. »Ich könnts vielleicht noch unterdrücken; aber ich will nicht, weil mirs so in diesem Schmerz behaglich ist. Wenn ich mir ihn weg denke, ekelt mich die Farce des Daseins so kraß an, daß ich dem Selbstmord nahe komme. So ist also dieses Seelenleid noch das kleinere von zwei Übeln.«
    »Pah,« schnaufte der fette bleiche Konrad, »was ist eigentlich an der Liebe auch des schönsten Mädels gelegen? Diverse Schnäpse sind besser!«
    »Das seh ich ein, Bester!« gab ihm der Freund recht. »Hast du dich nur selbst, so brauchst du Niemand zu deinem Glück; hast du dich nicht selbst, bist du dir selbst eine Null, so muß dich erst die Neigung eines Andern zur Zahl erheben.«
    »Diverse Schnäpse!« murmelte der Dicke dazwischen.
    »Ich habe aber noch anderen Kummer,« fuhr Karl fort. »Doch darüber ein andres mal.«
    Konrad drückte dem Freund die Hand und verließ das Haus. Karl saß allein in seinem Zimmerchen vor der kleinen Studirlampe. Drüben die Druckerei lag in tiefer Finsternis. Die sonst so hellen Fenster stierten schwarz wie leere Augenhöhlen herüber. Dumpf rollte zuweilen eine Droschke auf der fernen Straße vorbei. Der viele Tee, den er getrunken, ließ ihn nicht schlafen. Seine Schläfen brannten. Schon seit acht Tagen arbeitete eine Idee in ihm, ein Gedanke, den er noch nicht recht in Worte, in eine Form kleiden konnte. Jetzt kam es plötzlich über ihn, wie aus innerer Erleuchtung. Er ergriff die Feder und schrieb in sein Tagebuch:
    Wann wirst dem Treiben du entronnen sein?
Wann wird auch dir die Parze lächelnd sagen:
Es ist genug? – O! nur kein langes Leben,
Ihr Götter, häuft auf den Unglücklichen!
Denn dieses Leben ist die fürchterliche,
Schlau ausgedachte Strafe eures Scharfsinns,
Der mit dem Opfer grause Spiele treibt!
Man straft auf Erden den der Tiere quält.
Gibt es im Himmel denn kein Strafgericht
Für den der Menschen quält? Kann nie das Schicksal
Vors Tribunal gezogen werden?
Kann nie dem Menschen Antwort werden auf
Die Frage: Sprich, warum denn muß ich sein?
Warum mich reißen aus dem dunkeln Schoß
Des holden Nichts das mich umschlungen hielt?
Warum in diese giftgen Sonnenpfeile
Den Unglückselgen stellen? Hab ich denn
Vor der Geburt gesündigt, daß mich nun
So jammervolle Strafe trifft? Ha! oder . . .
Habt ihr gesündigt, fürchterliche Götter?
Und wollt nun gleich den Narrenkaisern Roms
Ersticken des Gewissens heißen Aufschrei
Im Qualgeröchel blutger Gladiatoren?
Ist euch die Erde nur ein heitrer Circus,
Wo eure Löwen mit den Schächern ringen?
Schaut ihr vergnügt aus Wolkenbaldachinen
Dem Kampfspiel zu und lacht des roten Blutes,
Der aufgerissnen Wunden? klatschet Beifall,
Wenn euch des Sterbenden Gezuck ergötzt?
Sind euch die Menschen lächerliches Spielwerk?
Und schafft ihr sie nur um sie zu zerstören?
O! hütet euch! seht die geballten Fäuste
Der Sterbenden zu euch im Fluch erhoben!
Es könnte einst ein Tag erscheinen, der
Euch bange macht! Es könnte einst gewaltig
Ein fürchterliches weltdurchtönendes
»Genug!« in euren Himmel von der Erde
Heraufgedonnert kommen! Müd der Qual
Wird dann die ganze Menschheit tun, was sonst
Nur Einzelne mit kühnem Griff gewagt.
Dann schüttelt eure Häupter und bestaunet
Das Riesenfest: den Selbstmord einer Welt!
    Er mußte während des Schreibens heftig weinen. Noch einmal überlas er sein Gedicht. Dann tauchte der Traum in ihm empor, den er heute Nacht gehabt . . . Er hatte sich selbst an einem großen Holzkreuz hängen sehen. Wunderlich! Was soll das bedeuten? Ist das symbolisch aufzufassen? So grübelte er und dabei prickelte es ihm noch durch die Handflächen, bis in die Herzgegend hinab.
    Da störte ihn ein Geräusch. Er blickte sich um, – seine Mutter hatte das Gesicht über ihn gebeugt und das Gedicht gelesen.
    »Aber Karl,« sagte sie sanft, mit Tränen in den Augen, »wie kannst du so was Trauriges schreiben? Du in deiner Jugend solltest das Leben schön finden!«
    »Ich sehe nicht ein,« gab er zurück, »wo ich einen Anlaß dazu hätte das Leben schön zu finden.«
    Sie drückte seinen Kopf an ihre Brust und begann leise zu weinen.
    »Nicht

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