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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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wohlbeleibte kleine Mann auf. Nervös hüstelnd ging er einmal schwerfällig durchs Zimmer; die fetten Hände fingerten zu beiden Seiten seines grauen Schlafrocks nervös hin und her. Neben dem eisernen Ofen stand der stählerne Geldschrank. Er drückte auf die Feder, die gepanzerte Tür sprang auf. Mechanisch griff er nach der Stelle, wo früher ein stattliches Paket Staatspapiere geruht hatte, – nichts! nichts mehr war davon zu sehen! Aber statt der knisternden Papiere – griff die zitternde Hand ein kleines, glänzendes Metallinstrument. Die Pfandbriefe hatten sich in eine seltsame Kostbarkeit verwandelt, in den Schlüssel, um aus diesem Drang des Irdischen zu entstehen, – in einen kleinen, netten Revolver. Der bleiche Mann betrachtete das zierlich gearbeitete Werkzeug. Er malte sich aus wie das sein mußte, wenn man das Ding an die Schläfe setzte . . . Er tat es. Jetzt bedurfte es nur eines harmlosen Fingerdrucks und – die irdische Gerechtigkeit konnte ihm nichts mehr anhaben. Er hörte nicht mehr die Flüche des Beraubten, die Vorwürfe seiner Frau! Ruhe, süße Ruhe umdämmerte dann sein brennendes Hirn. Oder nicht? Begann von da ab . . . vielleicht . . . ein neues Drangsal?
    Gerade als er, wie zur Probe, den Revolver an die Schläfe drückte ward still die Tür geöffnet. Nata trat in ihrer sinnenden, ein wenig verdrossenen Weise herein und sah gerade noch zu ihrer größten Bestürzung, wie ihr Vater die blinkende Waffe in den Kassenschrank warf.
    Eine andere Tochter hätte wohl gefragt: »Wie? du hast einen Revolver?« Natalie aber tat dies nicht. Sie schritt mit weit aufgerissenen Augen auf ihren Vater zu, der eigentümlich vor sich hinlächelte, gleichsam beschämt. »Noch ne alte Leidenschaft aus meiner Studentenzeit,« sagte er in möglichst jovialem Ton. »Für schöne Waffen hab ich ne verfluchte Schwäche, hätt eigentlich Offizier oder Förster werden sollen. Juristerei hat mir nie Freud gemacht. – Nu, Kind, und du?« sprang er hastig auf ein anderes Thema über. »Und du?« Er wußte nicht, was er hinzusetzen sollte.
    Sie hatte sich zärtlich an den Vater geschmiegt und blickte ihm mit ihren großen schönen Kinderaugen geheimnisvoll fragend ins bleiche Gesicht. Sie hatte schon seit Wochen mit dem mystischen Ahnungsvermögen einer reinen Kindesseele gefühlt, daß im Innern des Vaters eine Veränderung vorgegangen war. Deshalb blickte sie ihn auch jetzt so dringend um Antwort heischend an. Ihm war, als bliebe ihr nichts in ihm verborgen. Er konnte ihren tiefeindringenden Blick nicht vertragen, er wendete sich ab, setzte sich auf seinen Strohsessel und bedeckte die feucht werdenden Augen mit der Hand.
    »Meine Augen werden immer schlechter,« klagte er.
    »Nicht wahr, lieber Papa,« flüsterte sie, »du hast in letzter Zeit viel Unangenehmes erlebt?«
    »Das bleibt keinem Geschäftsmann erspart, liebes Kind,« sagte er.
    »Ja,« fuhr sie mit zitternder Stimme fort, »ich hab auch schon daran gedacht, mich selbständig durch die Welt zu bringen.«
    »Wie kommst du auf den Gedanken!« tadelte er. »Das hast du nicht nötig.«
    »Aber trotzdem!« versetzte sie; »es ist besser so! Ich trete aus der Schule und will etwas verdienen. Ich hab schon etwas!«
    »Wie? Was hast du?«
    »Ich hab mit dem Vorstand des Maschinenschreibbureaus Eigner gesprochen; dort kann ich in drei Tagen eintreten.«
    »Aber hör mal!« entfuhrs ihm; »so selbständig handelst du? ohne etwas zu sagen?«
    Sie umschlang zärtlich seine Schultern.
    »Ja,« sagte sie mit ruhiger Bestimmtheit. »Ich war gewiß stets eine gehorsame Tochter und wenn ich so still hinter eurem Rücken Schritte getan habe, um mir mein Brod selbst zu verdienen, hat das seine besonderen Gründe. Du kannst das nur loben, lieber Papa. Du weißt, ich bin in allen schriftlichen Arbeiten tüchtig; ich hab mich in der Stenographie und Maschinenschrift ausgebildet. Ich bekomme dafür in dem Büro täglich eine Mark und achtzig Pfennig. Übrigens hab ich noch einen Plan, – davon erfahrt ihr aber bis jetzt nichts!« Sie lachte leise vor sich hin.
    »Du bist ein Teufelsmädel!« sagte der Vater gerührt, und küßte sie.
    »Du erlaubsts also?«
    »Frag die Mama.«
    »Hab ich schon!«
    »Nun – und?«
    »Die lobt meinen Entschluß.«
    »Dann hab auch ich nichts dagegen.«
    Sie umarmte mit ungewohnter Heftigkeit den Papa und eilte dann hinaus, um die Mutter zu benachrichtigen.
    Nun lauschte der Anwalt auf die Stimmen der beiden Wesen, die ihn allein

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