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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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noch an dies verhaßte Leben fesselten. Ja, die Stimme seines koketten Weibchens hielt ihn fest am Irdischen. Wer weiß . . . .? Sie liebte ihn; vielleicht, wenn sie Alles wußte . . . wenn sie wußte, daß er ihr zu lieb zum Verbrecher geworden . . . vielleicht verzieh sie ihm dann! Und er brauchte ja nichts weiter, nur ihre Verzeihung. Was sonst die Welt von ihm denken werde, das war ihm gleichgiltig, wenn nur sie, sein kleines Vögelchen, sein Püppchen einsah, daß er aus Liebe gefehlt, daß er ihr das Leben so gern verschönert hätte, daß er den ersten verhängnisvollen Griff in das Eigentum seines Mündels getan, um ihr, nach ihrer schweren Krankheit, das Leben zu retten durch einen Winteraufenthalt an der Riviera.
    Und Otto? O Gott! Der mußte ja Mitleid mit ihm haben. Er bewunderte ja auch seine Emilie; er mußte doch einsehen, daß man einem solchen Kind jedes, auch das teuerste Spielzeug kauft, daß man ihm jedes Opfer bringt, daß man an der Seite eines solchen Engels das Leben genießen muß, daß man ein solch entzückendes Wesen nicht sterben lassen darf.
    Und Nata? Wie würde sie es vertragen, wenn sie ihren Vater als Betrüger gebrandmarkt sähe? Nein! so weit durfte es nie kommen! Wenn Otto Strafantrag stellen sollte, – dann fort aus dieser Welt! Dann wollte er nie mehr in jene vier Augen sehen, selbst wenn sie ihn verstanden und ihm seinen Fehltritt verzeihen würden.
    Dann wars ihm wieder, als müsse er dem kalten, harten Stahl des Schranks noch ein paar Papiere erpressen können! . . . Der Kassenschrank kam ihm jetzt so unbarmherzig vor; er war im grausamen Einverständnis mit der Börse. Alles, alles hatte sie verschlungen; jede Spekulation war fehl geschlagen, durch die er den Verlust wieder zu decken gesucht, . . . bis nichts mehr da war. An einem Tag hatte er in Serbischen Papieren zehntausend Mark verloren.
    Wenn er nur wenigstens dem Maler seine Idee ein Haus zu kaufen ausreden könnte! Die Zinsen des Kapitals waren ja noch aufzutreiben, und vielleicht in einem oder zwei Jahren kam er wieder durch einen Glücksfall zu Geld.
    Vielleicht hatte Otto bis dahin Glück mit einem Gemälde? Dann fragte der leichtsinnige Künstler wohl gar nicht mehr nach dem kleinen Kapital.
    Der bleiche Anwalt hatte den metallenen Schrank wieder geschlossen. Es klopfte an die Zimmertüre.
    »Willy, darf ich hinein?«
    »Gewiß, lieber Goldfisch!«
    Seine Emilie huschte ins Zimmer. Ihre weichen, an feine, zerbrechliche Conditorwaren erinnernden Glieder schwammen in einem weißen, weiten, von Spitzenwolken umwogten Hauskleid.
    »Venus, wie sie dem duftenden Schaum entsteigt!« lächelte der um fast zwanzig Jahre ältere Gatte.
    Über ihr elfenbeinzartes Gesichtchen, über die rosigen Lippen, flog ein herzliches Lächeln. Ein berückender girrender Zärtlichkeitslaut entquoll ihren feinen Lippen. Dann schmiegte sie sich an ihn: »Immer hast du eine Schmeichelei bereit!« hauchte dieser niedliche Mund.
    O Gott! Daß eine so bezaubernde junge Rosenelfe ihn den alten häßlichen Bären liebte! War es denn denkbar? Sein jovialer Humor hatte sie ihm erobert; sie gehörte zu den Frauen, die das gesetzte Alter der leichtfüßigen Jugend vorziehen.
    »Wir brauchen wieder Kohlen, Männchen,« sagte sie, »gleich dreißig Zentner; und Wein, auch Wein!«
    »Soll angeschafft werden. Hier hast du mal einstweilen fünfzig Mark.«
    Wie reizend ihre weiche Nasenspitze beim Sprechen sich bewegte, welch süßes Schmachten in der Art lag, mit der sie sich jetzt auf seine Schultern stützte. Und wieder der behaglich-girrende Zärtlichkeitslaut.
    »Ah, hast du eine neue Münze?« fragte sie dann, indem sie sehr schlau ein großes Interesse für die alten, grünspanüberzogenen Kupferstücke heuchelte, die ihr eigentlich ein Greuel waren.
    »Ja – hier! eine seltene, goldene, aus Byzanz!« erklärte er. »Schau, die scharfe Prägung . . . wie frisch aus der Münze . . . Ist tausend Jahr alt!«
    »Sehr schön,« lobte sie zerstreut und blickte dabei nach dem Hausgarten. »Mein Gott! hör nur, wie Eduard da unten wieder das Klavier malträtiert! Da spielt er jetzt schon seit einer Stunde die Stelle aus der Cismoll-Sonate; immer dieselbe Stelle! Das ist zum Rasendwerden.«
    »Ja,« erwiderte der Anwalt, »ich begreif den Direktor nicht. Wie kann er den Sohn Musiker werden lassen! Und ich glaub, – da zanken sie schon wieder?«
    Man hörte die donnernde Kommandostimme des Direktors von unten durch den Fußboden

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