Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909
beinah so aus . . .« Er stockte.
»Nun?« half ihn der Maler weiter.
»Ich will lieber schweigen. Was geht mich die Sach an? hab selber genug durchzufressen.«
»Ich weiß, was du sagen willst,« murmelte der Künstler.
»Man hat im ganzen Haus darüber gesprochen,« flüsterte Karl.
»Von was?«
»Von . . . nu, daß du immer soviel bei der kleinen Frau sitzest, und der Mann – euch soviel allein lasse.«
Der Künstler erbleichte ein wenig.
»Wirklich?« stotterte er betreten lächelnd.
»Ja,« fuhr der Schüler fort. »Du brauchst dir aber deshalb nicht etwa einzubilden, die Frau Mayer sei verliebt in dich.«
»Das hab ich mir auch nie eingebildet.«
»So? Nun, desto besser. Ich weiß nämlich genau, daß das nicht der Fall ist.«
»Wie so?«
»Na,« fuhr der Gymnasiast mit sarkastischer Miene fort, »weil sie zuweilen mit mir über dich gesprochen hat.«
»Wie? Sie hat über mich gesprochen?«
»Ja – und in nicht gerade sehr bewunderndem Tonfall.«
»In . . . nicht sehr . . .?« stotterte der Maler.
»Durchaus nicht. Sie meinte, du lebest ziemlich leichtsinnig . . . liederlich . . . mit deinen Modellen. Sie glaubte: mit deinem Talent seis auch nicht weit her. Natürlich versteht sie davon nichts.«
»Natürlich,« warf der Künstler enttäuscht, zwischen Humor und Ärger schwankend, hin.
»Auch deine körperlichen Vorzüge schien sie wenig zu bewundern.«
»So so?« fragte der Maler. »Spottet sie auch über meinen roten Hals?«
»Ja und du wechslest die Wäsche zu selten, du seiest immer ganz verschwitzt, seist überhaupt echt künstlerisch unreinlich.«
Otto lachte laut auf.
»So? Das hat sie mir freilich nie ins Gesicht gesagt!« kreischte er, sich vor Lachen schüttelnd.
»Wegen der dreihundert Mark!« bedeutete ernsthaft Karl.
»Ich hab mir wahrhaftig eingebildet,« schrie der Maler, »sie hätte ein tieferes Interesse an meinem Seelenleben!«
»An deinen dreihundert Mark!« dozirte professoral der Andere.
»Ich glaubte, sie halte was von meinen Bildern.«
»Von deinen dreihundert Mark!«
»Und sie ertrug doch den Geruch meiner durchgeschwitzten Hemden stets mit solcher Liebenswürdigkeit!«
»Wegen der dreihundert Mark!«
»Meine Liederlichkeit schien ihr so interessant!«
»Deine dreihundert Mark hüllten auch die größten Liederlichkeiten in einen Tugendmantel.«
»Hat sie dir auch erzählt, daß wir uns oft sehr intim über die Liebe unterhielten?«
»Ja. Sie war entrüstet über die Unverschämtheit, mit der du solch heikle Themata besprachst.«
»Entrüstet? entrüstet?«
»Sie hörte deinen philosophischen Erklärungen jedenfalls nur zu, weil deine dreihundert Mark ihr ein süßes Pflaster aufs wunde Ohr drückten.«
»Jetzt geht mir endlich ein Licht auf!« brummte der Maler verdrießlich.
»Aha! merkst du, weshalb sich der Mann stets in seine Studierstube vergrub, sobald du kamst?«
»Ich – Esel!«
»Und du bist noch ein größerer Esel, wenn du jetzt nicht ernstlich Schritte tust, dein Geld sofort zurückzuerhalten!«
Der Künstler rieb sich die Hände. »Hast recht, Alterchen! Mir sehr lieb, daß du mir die Augen geöffnet, mich in die richtige Stimmung versetzt hast; jetzt hab ich den Mut. Aber hast du mir auch nichts vorgeflunkert? ist die kleine Frau Rechtsanwalt wirklich so wenig von meiner Unterhaltung erbaut gewesen?«
»Mir kanns gleich sein, wie du darüber denkst!« lachte Karl. »Ich hab ja nichts davon. Mich amüsierts höchstens, zu beobachten, wie nun deine gekränkte Eitelkeit nach grimmiger Rache sucht.«
Der Künstler griff nach seinem Überzieher. »Je nun!« verteidigte er sich. »Künstler sind sehr menschliche Menschen. Übrigens will ich mich nicht rächen! will nur das was mir gehört. Mich amüsierts, zu hören, wie unsere guten Freunde hinter unserem Rücken von uns denken und reden. Ich hätt auf die echte Freundschaft dieser Frau geschworen! sie schien mich wirklich hoch zu schätzen, für mein Talent zu schwärmen . . .«
Karl dozirte: »Machs wie ich; werd Menschenfeind und Pessimist. Dann hast du erst den wahren Genuß vom Leben. Als Menschenfeind erwartest du stets nur das Schlimmste von den Menschen. Triffst du dann ausnahmsweise mal eine bessere Regung an, so freuts dich doppelt; wie wenn du unter Eis und Schnee ein Veilchen entdeckst.«
Beide verließen das Atelier. Auf der Straße unterhielten sie sich von anderen Gegenständen, bis der Maler wieder das Gespräch auf das frühere Thema lenkte. »Ich
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