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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Fenster auf das puffende Dampfrohr fiel, entstand in seiner Phantasie das Bild eines eben abgefeuerten Revolvers. Wie ekelhaft das Weltbild in sein Auge grinste: diese Tätigkeit, dieses Hasten und Drängen, diese Farben und Formen, wie traurig! Daß er sie doch nie mehr zu sehen brauchte!
    Und war nicht schließlich sie, die er geliebt, schuld an seinem Elend? Wars nicht ihr zu lieb, daß er gesündigt? Fast stieg nun ein Gefühl von Groll, ja Widerwillen gegen die Geliebte in ihm auf; ihr Schritt auf dem Hausflur erweckte ihm ein nervöses Zittern, ihre Stimme krampfte ihm die Kehle zusammen. Wenn sie ihn verstieß, – das fühlte er – dann würde er die Schußwaffe, die er schon einmal auf sich gerichtet, auf sie richten. Aber noch war es nicht so weit, noch war ja Hoffnung vorhanden, daß Otto die ganze Sache totschwieg, verzieh. Ein schlimmes Zeichen war es freilich, daß Emilie ihn gar nicht um die Ursache seines Leidens fragte. Das ließ darauf schließen, daß sie den tiefern Sitz dieses Leidens ahnte!
    Natalie wußte gar nicht, was sie aus dem allem machen sollte. Sie fühlte, daß ihre Eltern nicht mehr in so innigem Einvernehmen lebten wie früher und litt schwer darunter. Sie beobachtete scharf und fühlte jetzt dunkel heraus, um was es sich etwa handelte. Sie fühlte, daß nicht Krankheit den Vater so niederbeugte und empfand eine Art von Scheu vor ihm. Heute morgen hatte er sie rufen lassen in sein Arbeitszimmer. Sie war mit ängstlicher Miene eingetreten. Er drehte sich von seinem Strohsessel halb zu ihr hin, sah sie an mit ganz verstörten Augen und öffnete die Lippen, brachte aber anfangs kein Wort heraus.
    »Ich weiß nicht mehr, was ich von dir wollte, Kind,« stammelte er dann mühsam. »Mir ist eben oft gar nicht wohl. Geh nur wieder!« Sie wendete sich nach der Türe. Da hörte sie, wie er leise vor sich hinflüsterte: »Armes Kind!« Sie wendete stürmisch um und brach gewaltsam in Tränen aus. Sogleich hing sie an seinen Hals.
    »Was ist dir, Papa, was ist dir?«
    »Es wird noch alles gut werden,« gab er leise schluchzend zurück. »Denk nie schlecht von deinem Vater! Ja, alles, alles wird noch gut.« Sie wagte nicht weiter zu fragen, denn nun ward seine Miene wieder streng, kalt. Er hieß sie gehen.
    Sie fühlte, daß sie ihn nicht mehr so innig lieben konnte, wie in früheren Zeiten. Sie wagte aber nicht mit der Mutter darüber zu sprechen, da diese ja eben so tief wie sie selbst unter dem seltsamen Benehmen des Vaters litt.
    Dem jungen Herrn Körn wich sie mehr als früher aus, obgleich es sie stärker denn je zu ihm hinzog. Sie hatte das Gefühl, als müsse sie vor den Eltern gleichsam um Schutz bei ihm nachsuchen. Einmal traf er mit ihr auf dem Karlsplatz in dem Trambahnkiosk zusammen. Er überraschte sie, wie sie gerade ihr Taschentuch an die Augen führte, um ihre nicht mehr zurückzuhaltenden Tränen zu trocknen. Sie blickte mit verweinten, geröteten Augen auf die heranbrausenden blauen Wagen, auf die vielen schwarzen Regenschirme, auf die von schräg niederprasselnden Strichregen gleichsam ausgestrichenen Häusermassen und Bäume des großen Platzes. Wie gerne hätte sie mit Karl ein paar Worte gesprochen; doch er ging grüßend vorüber. Sie hatte offenbar keinen tieferen Eindruck auf sein Herz gemacht, und der Kummer dieser unerwiderten Liebe nagte nun auch noch an ihr. Schon seit einigen Tagen war es ihr vorgekommen, als ob sich Weihals ihr in verliebter Weise nähern wollte. Diese Annährung steigerte ebenfalls ihre Leiden, denn sie hatte entdeckt, daß der Vater die stille Werbung des Kommerzienrats mit großer Freude begünstigte. So war die Ärmste von allen Seiten gleichsam eingeschlossen von einem See von Plagen.

    8.
    Der tapfere Kater Peter war leidend! Alle kühnen Liebesabenteuer hatten ihren Reiz für ihn verloren; die schönste, anmutsvollste Kätzin weckte keine Sehnsucht mehr in seinem Busen; sein feuriges Auge, das so zärtlich liebäugeln, so grimmig in der Eifersucht Blitze schleudern konnte, war halb erloschen. Teilnahmlos lag er in Fieberträumen versunken auf seinem Kissen, das man ihm auf den alten Großvatersessel sorgsam bereitet.
    Der Unglückliche hatte eine nicht mehr ganz frische Wursthaut verschluckt und fühlte sich darauf entschieden unwohl, Luise und Emma standen sorgenvoll an seinem Krankenlager. Er ward von den beiden Mädchen sorgsamer gepflegt als mancher Mensch; jedes Symptom seines Leidens ward mit tränenden Augen beobachtet und lange

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