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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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tun.«
    »Das sehe ich ein. Ich wollte dich deshalb nur bitten . . .«
    »Was?«
    »Mir jene Kritik zu verzeihen,« stotterte Karl errötend.
    Körn sah ihn befremdet an. »Dr. Simmer muß sie dir erst verzeihen,« sagte er schroff. »Die Sache ist mir furchtbar peinlich; du hast mich da in eine böse Lage gebracht. Dr. Simmer – ich kann dir das nicht so auseinandersetzen – Dr. Simmer hat einflußreiche Personen hinter sich; er kann mir schaden. Es kam mir zu Ohren, daß er sich bei wichtigen, ja ausschlaggebenden Persönlichkeiten über meine Erziehungsmethode höchst misbilligend geäußert, – auch über unser ganzes Familienleben. Er kann mich in der ganzen Vorstadt, beim Oberschulrat, ja noch höher hinauf in einen bösen Ruf bringen. Daran bist du schuld!«
    Karl sah bleich werdend unter sich. »Ich will alles tun,« sagte er, »um die Sache in Güte beizulegen.«
    Der Direktor nickte mit finsterem Gesichtsausdruck. Karl verließ ihn.
    Auf seinem Zimmerchen angekommen, sagte er sich: Der Vater denkt nur an sich, an seine Stellung, seinen Ruf. Ich bin ihm sehr gleichgültig, er liebt mich nicht! Allerdings stahl sich in diese Betrachtung das Gefühl: der Vater könne vielleicht seine Liebe nicht auf die richtige Art an den Tag legen, er gehöre vielleicht zu jenen schroffen Naturen, die ihre weichen Empfindungen unter einer rauhen Außenseite verbergen. Aber Karls Seele war so menschenfeindlich-empfindlich beschaffen, daß sie diese bessere Auslegung des väterlichen Benehmens mit Gewalt ablehnte. Der Vater sollte ein Egoist sein; so schrieb es ihm sein leicht verletztes Inneres vor. Er fraß sich jetzt mit einer wahren Wollust in seinen Haß hinein; er fühlte sich erhaben, wenn er sich in den finsteren Trauermantel dieses Unglücks, dieses Verkanntseins hüllen konnte.

    7.
    Am folgenden Tage trafen sich: das Ehepaar Meyer mit Natalie, Weihals, das Ehepaar Körn nebst Karl im Atelier Otto Grüners. Nicht zufällig. Grüner hatte die Gesellschaft geladen, da sein Bild »Salomes Tanz vor Herodes« vollendet auf der Staffelei prangte, hell beglänzt von der durchs breite Fenster lächelnden Herbstsonne.
    Die Frau Rechtsanwalt entfaltete hier ihre ganze bezaubernde Liebenswürdigkeit; wie eine die Künste beschützende Fürstin sprach sie dem etwas verzagten Künstler Mut zu.
    Weihals suchte in der großen Mappe nach Bildern, die seinem Geschmack behagten, war aber sonst klug genug den Mund zu halten. Höchstens, daß er an dem Salome-Bild die Nebensachen bewunderte. »Ach Herr Grüner, wie hawe Se doch de rote Sammet so gut getroffe! ma könnt ja ordentlich mit de Fingerspitze drüber fahre!« Oder ein andermal: »Der Marmor sieht aus wie werklicher Marmor! gar net wie gemalt, gar net!«
    Der Schuldirektor hielt es natürlich für seine Pflicht, der Gesellschaft zu beweisen, auf welch hoher Stufe sein künstlerisches Beurteilungsvermögen stand. Er schritt, seine Gattin am Arm, an den Wänden entlang, betrachtete die dort hängenden Skizzen und ergoß darüber seinen gelehrten Phrasenschwall. Beständig wiederholte er seine Lieblingsredensart: »Siehst du, liebes Kind,« (vor der Welt war seine Gattin stets sein »liebes Kind«) »das ist die größte Kunst, mit den kleinsten Mitteln die höchste Wirkung hervorzubringen . . .« Dabei schielte er jedoch immer ängstlich nach Otto hinüber, der im Stillen über die ewig wiederholten Ausdrücke: Farbenwerte, Nuancen, helldunkel u. s. w. lächeln mußte. Doch zog sich der gelehrte Herr so geschickt aus der Sache, daß man ihm nicht gerade einen direkten Unsinn nachweisen konnte.
    Nata verhielt sich wie immer still, wie von einem leisen jungfräulich-kühlen Trotz umflort, der indes gerade dadurch, daß er abstoßen wollte, anzog. Karl hatte seit dem letzten Gespräch Interesse für sie und suchte sie zum Sprechen zu bringen. Sie behandelte ihn diesmal sehr kühl.
    Die Gesellschaft löste sich in mehrere Gruppen auf in dem großen Raum. Meyer war mit seiner Frau allmählich in den Erker gelangt, in dem ein niedlicher Rohrtisch nebst Stühlen zum Ruhen einlud, Der Maler bot Cigaretten an, man ließ sich nieder. Nun holte der Künstler das Bild Nataliens aus einem Winkel hervor und wies es den erstaunten Eltern vor. Er hatte es aus dem Gedächtnis gemalt. Der Anwalt baute hierauf sofort die Hoffnung: Grüner liebe seine Tochter, und dieser Gedanke machte ihn heiter.
    Hier, im Angesicht seiner Werke, brachte es nun Otto, den Karl beständig durch leise Winke

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