Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909
ermutigte, endlich über sich, den Anwalt daran zu erinnern, daß er sich ein kleines Haus kaufen wollte.
»Sind Sie denn endgültig entschlossen?« fragte der Anwalt, seine Unruhe bekämpfend.
»Es ist das einzige Mittel,« versetzte Otto, »um mir Ruhe und Arbeitskraft zu verschaffen.«
Frau Meyer mischte sich auch ins Gespräch. »Herr Grüner hat ganz recht!« meinte sie wohlwollend.
»Aber liebe Emilie,« fiel ihr der Anwalt ärgerlich in die Rede, »du hast früher anders gesprochen.«
»Ja, aber es wär unrecht, seh ich jetzt ein, dem Herrn Grüner abzuraten. Er braucht für seine Nerven Stille, er braucht ein großes Atelier, in dem er auch große Gemälde ausstellen kann.«
»Das kann er auch, wenn er ein Atelier mietet!« versetzte der Anwalt mit einem so verzweifelten Zittern der Stimme, daß ihn Emilie vorwurfsvoll ansah.
»Erlauben Sie, Herr Meyer,« bemerkte Otto, »der Künstler braucht Stimmung. – In einem gemieteten Atelier finde ich nie die intensive Stimmung wie im eigenen, behaglich eingerichteten.«
»Ganz richtig!« lächelte Emilie freundlich. »Die Hausfrau braucht auch eine hübsche Küche, wenn sie mit ›Stimmung‹ kochen soll.«
Meyer warf seiner Frau einen zürnenden Blick zu und wandte sich dann an Grüner: »Aber bedenken Sie doch, was Sie mit so nem Haus für ne Last auf sich laden! Die Reparaturen, die Steuern, die Mieter!«
»Ja,« meinte Otto, »das wird sich schon finden. Ich hab mir sagen lassen, ein Haus sei eine ganz gute Kapitalanlage, bei den geringen Zinsen, die man heut zu Tag bekommt, – höchstens drei und ein halbes Prozent. Ein Haus kann sich doch zu vier bis fünf Prozent verzinsen.«
»Ha! ha!« lachte der Anwalt gezwungen, »Herr Grüner wird Geschäftsmann!«
»Heutzutag muß man ein wenig Börsenjobber sein,« versetzte Otto ernst; »auch als Künstler.«
»Ganz recht,« lobte ihn Emilie. »Das freut mich an unserm früheren Mündel. Er wird endlich praktisch; er ist nicht mehr Hans der Träumer, nicht mehr das phantastische Kind; er wird ein Mann.«
»Ich begreife dich nicht, Emilie!« erwiderte der Anwalt mit unsicherer Stimme. »Du . . . du hast früher selbst gemeint, unser lieber Herr Otto müsse bei seiner geringen Weltkenntnis sehr vorsichtig sein. Sonst verliert er was er hat.«
»Jetzt seh ich aber,« versetzte sie freudig, »daß er uns nicht mehr braucht. Er kommt durchs Leben. Kaufen Sie sich nur das Häuschen, Herr Grüner.«
Nun ließ sich aus dem Hintergrund des Ateliers die Stimme des Kommerzienrats vernehmen, der gerade in Aktstudien blätterte, dabei aber aufmerksam dem Gespräch gefolgt war.
»Ganz recht, Herr Grüner! lasse Se sich nur net irr mache. Ä Haus verzinst sich noch ganz gut; besser als die lumpige Staatspapiercher. Kann Ihne ä Haus doch auch net verlore gehn, is keine Kursschwankunge unnerworfe! ganz praktisch!«
Dem Anwalt stieg das Blut zum Kopf. Er schwieg, ganz in sich versunken.
»Also,« begann Otto von Neuem, »wann kann ich das Kapital flüssig machen?«
»Was?« fuhr der Anwalt aus seinen Träumen. »Ja so, ja, flüssig machen? Jederzeit! jederzeit! Haben Sie denn schon ein Haus?«
»Ja,« versetzte der Künstler, »für zehntausend Mark; das Übrige leg ich in Möbeln an. Ich möcht die Möbel jetzt schon kaufen, – brauchte also in diesen Tagen viertausend Mark.«
»Jederzeit, jederzeit!« versicherte der Anwalt, vor dessen Augen sich sämtliche Bilder des Ateliers zu verzerren und im Kreise zu drehen begannen. »Kommen Sie nur . . .«
»Gut, ich komme also . . . na sagen wir . . . übermorgen?«
»Gut, übermorgen!«
Meyer mußte sich einen Augenblick setzen. Die Beine versagten ihm den Dienst, kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn, doch wußte er seinen Seelenzustand unter einer jovialen Miene zu verbergen. Nur Weihals, der ihn die ganze Zeit über beobachtet hatte, war nun seiner Sache beinahe sicher.
»Wie wärs,« lud Otto seinen früheren Vormund ein, »Sie würden sich das Haus mal ansehen?«
Meyer lehnte ab, er habe dringende Geschäfte, aber wenn seine Frau nebst Tochter mit ihm das Haus besehen wollten, habe er nichts dagegen.
Emilie war einverstanden. Der Kommerzienrat bat um die Erlaubnis die Gesellschaft in seinem Automobil hinfahren zu dürfen; man nahm den Vorschlag gern an, bestieg das prächtige Auto und fuhr darauf los.
Weihals lenkte mit Stolz selbst. Den beiden Damen ward es etwas angstvoll zu Mut bei dieser Geschwindigkeit; das Rasseln und leise Rütteln
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