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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Kleinen! pfui Teufel!«
    Unten bei Direktor Körns begann eben Eduard die Cis-moll-Sonate, deren ergreifende Akkorde durch die Zimmerdecke drangen. Plötzlich fuhr der Anwalt empor, – es hatte an der Tür geklopft. »Herein!«
    Otto trat ein; seine Verlegenheit verbarg sich hinter seinen burlesken Manieren. »So, Herr Rechtsanwalt! ich muß jetzt bald gehen!« rief er mit humoristisch sein sollendem Tonfall der Stimme. »Jetzt möcht ich nur unsere geschäftliche Angelegenheit rasch ordnen. Haben Sie Zeit?«
    »Aha . . . geschäftlich . . .« stotterte Meyer ganz aschfahl im Gesicht und hob seinen dicken Oberkörper schwerfällig vom Strohstuhl auf. »Ge . . . schäft . . . natürlich . . . Sie meinen doch . . . das . . . das Geld? ja! wie?«
    »Natürlich!« suchte Otto zu scherzen; »s Wichtigste im Leben!«
    »Ja, ja . . . leider,« stammelte der Anwalt. »Haben recht . . . was? . . . schönes Wetter heut . . . was?«
    »Was meinen Sie?« fragte Otto verwundert.
    »Schönes Wetter?« schrie der Anwalt ganz laut, da ihm vor Erregung die Stimme umschlug.
    »O ja! n wenig frisch!« sagte der Künstler durch das seltsame Gebahren des Anwalts eingeschüchtert.
    »Bitte . . . nehmen Sie . . . nehmen Sie!« rief Meyer. »Ja, so nehmen Sie doch . . .!«
    »Was soll ich nehmen?«
    »Platz! frisch ja! . . . n wenig frisch . . . hab ich auch beobachtet! Hier im Zimmer ists auch . . . n wenig frisch . . . oder kommt mirs nur so vor? Wollen Sie n Gläschen Schnaps? Mich friert kannibalisch! Sie auch?«
    »Nein – nein,« stammelte Otto immer verwirrter. »Aber was haben Sie denn, Sie sind ja . . . Sie sehen aus . . . Sie zittern!«
    Der Anwalt schlotterte an allen Gliedern und sah aus wie ein schwer Betrunkner. Das Geständnis, das er jetzt ablegen sollte, verwirrte ihm dermaßen die Sinne, daß er gerade das Gegenteil von dem tat, was er hätte tun sollen. Statt mit demütiger Stimme zu flehen, nahm er einen scheinbar hochmütigen lauten Ton an; er schrie, um seine Angst zu maskieren.
    »Sie wollen Ihr Geld?« schrie er wie ein Verrückter. »Ihr Geld?«
    »Allerdings,« flüsterte Otto, dem ein entfernter Verdacht aufzudämmern begann, während vom Fußboden herauf rauschendes Klavierspiel seine Stimme begleitete.
    »So? so?« lachte Meyer gellend auf, wie ein Wahnsinniger. »Ihr Geld wollen Sie? Ja, lieber Herr! . . . s ist nichts mehr da! einfach nichts mehr da! gar nichts, absolut nichts!«
    Otto starrte den von einem leisen Krampf befallenen Anwalt verständnislos an . . . der Anwalt starrte ihn an . . . so blickten sich beide wie zwei Narren im Narrenhaus in die irren starren Augen.
    »Nichts . . . mehr da?« lallte Otto fragend.
    »Nichts mehr da!« lallte der Anwalt.
    Lebhaftes Händeklatschen belohnte jetzt unten das plötzlich abbrechende Spiel Eduard Körns.
    »Sie scherzen wohl!« brachte endlich Otto heraus, mit einem Lächeln auf den verzerrten Lippen.
    Der Anwalt bewegte sich nicht. Von unten schallte jetzt lebhafteres Stimmengewirr herauf. Im Nebenzimmer klapperte die Maschine, – jetzt hielt sie plötzlich inne. Der Anwalt empfand das mitten in seiner Verzweiflung. »Sie lauscht,« dachte er; »das arme Kind!«
    Dann erhob sich Otto so rasch, daß der Stuhl nach hinten hin umfiel.
    »Herr Rechtsanwalt!« keuchte er drohend, »ich hoffe . . . Sie scherzen?«
    Meyer hatte sich ebenfalls erhoben und riß sich konvulsivisch den Hemdkragen vom Hals, als brauche er Luft, um nicht zu ersticken. »Scherzen!« stotterte er ächzend. »Ja, – wärs das! Herr Otto, ich . . . ich bin ein Schurke! sagen Sie mirs nur ins Gesicht! Sie waren immer ein so guter Mensch . . . ich weiß! Und ich! ach Gott!« Er brach in krampfhaftes Schluchzen aus. »Wenn Sie einen Begriff hätten von meinen Verhältnissen! Sie hätten Mitleid! Sie täten mir nichts . . . meiner lieben Frau wegen, meiner Tochter wegen . . . Sie hören sie ja auf der Maschine klappern . . . Sehen Sie, ich bin eine pathologische Natur! s ist mir ja entsetzlich, Ihnen das gestehen zu müssen!« Er war auf sein ausgesessenes hartes Sopha gesunken und hatte schluchzend das dicke, hochgerötete Gesicht bedeckt. »Entsetzlich! Sehen Sie, meine Frau – Sie wissens ja – war so krank, nach der Lungenentzündung. Sie mußte nach Italien; ein Jahr lang. Ich begann an der Börse zu spielen, . . . ich wollt reich werden, rasch, rasch, im Handumdrehen reich. Wer will das heute nicht?«
    Er stockte.

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