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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Otto wankte, hielt sich kaum aufrecht. Wars denn möglich?! War das nur eine Theaterszene? Ein wüster Traum?
    »Herr Rechtsanwalt!« hauchte er einer Ohnmacht nahe. »Sie reden da so unsinniges Zeug durcheinander. Bitte wollen Sie mir mal klaren Wein einschenken? und vernünftig reden? Also – mit einem Wort?«
    »S ist nichts mehr da!« flüsterte Meyer tonlos.
    »Nichts . . . mehr da?« wiederholte Otto mechanisch. »Nichts mehr da? Das . . . heißt also: ich bin ein Bettler? und Sie . . . sind ein Schurke?«
    Der Anwalt zuckte empor, als habe man ihm eine Ohrfeige versetzt. Nebenan klapperte die Schreibmaschine ruhig weiter.
    »Wenn Sie wüßten,« stöhnte er, » wie ich dazu gekommen bin, – Sie hätten Erbarmen . . . wenigstens mit meiner armen, armen Frau . . . meiner herzensguten Tochter! Um dieser beiden Unglücklichen willen . . . gehen Sie nicht mit uns ins Gericht! Haben Sie noch ein paar Wochen Geduld, – vielleicht finden sich Mittel das Verlorene zurückzugewinnen. Ich flehe Sie an . . . ich flehe Sie an . . .«
    Er hatte in theatralischer Weise die Arme erhoben und machte Miene, sich vom Sopha herab dem Künstler zu Füßen zu werfen. Otto, der nicht bemerkt hatte, daß leise die Türe geöffnet worden war, daß die Frau Rechtsanwalt, die schon seit einigen Minuten gelauscht, nun eingetreten war, hatte seine Besinnung wieder gewonnen.
    »Ich weiß noch nicht, was ich tu,« knirschte er zwischen den Zähnen, »ich weiß noch nicht . . . Ich . . . ich will wenigstens wieder unter ehrliche Menschen . . .«
    Wie er sich empört umdrehte, stieß er auf Emilie, aus deren geisterbleichem Gesicht, aus deren unnatürlich großgewordenen Augen ihm ein irrer Schmerz entgegen leuchtete.
    »Herr Grüner,« stöhnte sie, »ich bitte Sie . . . ich bitte Sie . . .« Weiter kam sie nicht.
    In seiner Entrüstung schrie er sie an: »Und Sie? haben Sie auch von der Sache gewußt?«
    »Ich?!« keuchte sie, die beiden Hände auf der Brust faltend. »Sie werden doch von mir nicht glauben . . . o Gott!«
    »Meine Frau weiß nichts!« erwiderte der Anwalt. »Ich allein . . . ich allein . . .«
    »Ich bin ein Bettler!« schrie Otto außer sich, »ein Bettler! wissen Sie, was das für mich heißt?«
    »Herr Grüner!« schluchzte sie auf, »ich flehe: unternehmen Sie nicht gleich Feindseliges. Machen Sie noch keine Anzeige! Ich verspreche Ihnen: Sie sollen Ihr Geld erhalten! Sie werden Ihr Eigentum bei Heller und Pfennig erhalten! Hören Sie? ich schwörs!«
    »Ja – wie denn?« seufzte Grüner, den ein Blick in die geisterhaften Augen der Frau von seiner Wut heilte.
    »Das ist meine Sache!« hauchte sie. »Gedulden Sie sich noch zwei bis drei Tage. Dann können Sie immer noch tun, was Ihnen beliebt.«
    Otto atmete gepreßt, als breche er unter einer ungeheuren Last zusammen.
    »Ich . . . warte,« ächzte er. »Ihnen zu lieb. Nur . . . Ihnen zu lieb . . . Drei Tage.«
    »Ich danke Ihnen,« flüsterte sie.
    Otto rannte zur Tür hinaus wie ein Träumender. Auf der Treppe besann er sich. Sollte er Karl aufsuchen? Eine Aussprache konnte ihn ein wenig zerstreuen, die zermalmende Last einen Augenblick ihm von den Schultern nehmen. Er klingelte im zweiten Stock. Das Dienstmädchen ließ ihn ein. Er mußte in Karls Zimmer einen Augenblick warten. Vom Hausflur herüber klang Klavierspiel. Dann brach das Spiel kokett ab. Gelächter dröhnte lauter durch den Flur, sobald eine Tür geöffnet wurde, dann klangen, sobald sich die Tür schloß, die Stimmen wieder gedämpft. Otto brütete dumpf vor sich hin.
    Endlich wurde die Türe lebhaft aufgerissen. Karls neuropathischer Blick war heute lebhafter durch den Wein. Ein Backenbärtchen, das sich um sein Kinn allmählich entwickelte, gab ihm ein immer männlicheres, professoraleres Aussehen.
    »Du? So spät?« rief er ein wenig weinselig. »Recht so! mußt ein Glas Wein mittrinken; wir haben heut Gäste. Denk dir, ich kriech zu Kreuz! ich bitt den schlechten Poeten um Verzeihung, daß mir seine Verse solche geistigen Leibschmerzen verursacht! Dieses Fräulein Dorn . . .! ich sag dir, ein Engel! ein wahrer Engel. Und mein Vater ist entzückt von ihr, – auch meine Mutter. Aber was hast du?«
    Otto war aufgestanden und taumelte zur Tür, um sich zu entfernen.
    »Mensch . . . was ist dir?« rief Karl, lief ihm nach und packte ihn am Arm. »So bleib! sag doch wenigstens: Lebwohl!«
    »Laß mich!« murmelte Otto. »Ich weiß garnicht, wie

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