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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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und eine solche Menge Sherry hinter die Krawatte gegossen, daß ihn eine kaum zu unterdrückende Lustigkeit befiel. Er rief beständig: »Es lebe unser Herr Direktor! Aber auch unser verehrter Köhler soll nicht sterben. Zwar gänzlich unbrauchbar für die Welt, – aber ideal! aber ideal! Sehr ideal!«
    »Aber,« krähte der dürre Pennig mit seiner hohen Fistelstimme, »so benimm dich doch anständig, du hast ja nen Kapitalsrausch.«
    »Ach was!« wies ihn Külper zurück, der mit ihm zusammen studiert hatte. »Und die alten Germanen sie tranken noch Eins! Nimm mirs nicht übel, Pennig, du bist auch einer von den Moralfexen, mit denen die moderne Zeit endlich aufräumt. Veraltet, gänzlich rückständig, gänzlich unbrauchbar für die Welt. Aber ideal! Gebs zu: ideal! Aber das Ideale hat kein Wert mehr für uns!«
    Die Musikvorträge Eduards brachten dann das Gespräch auf Richard Wagner und die moderne Musik. Auch hier brach Köhler eine Lanze für den Fortschritt. Eduard spielte, um zu zeigen, daß doch Wagner auch Melodien erfinden konnte, Stellen aus Lohengrin, die Körn mit dem größten Misbehagen mit anhören mußte, obwohl er eine gewisse Ergriffenheit nicht unterdrücken konnte.
    »S ist doch auch was Nobles in der Musik,« meinte der gerührte Külper kleinlaut.
    »Ah pah,« lehnte Körn ab, »es geht nichts über Mozart. Fühlen Sie denn nicht heraus, meine Herren, wie die Melodien Wagners so schwerflüssig sind?«
    »Wie geschmolzenes Gold,« wagte Köhler einzuwenden.
    »Gold, Gold!« stieß Körn ärgerlich heraus. »Eduard spiel mal gleich was von Mozart, da werden die Herren fühlen, was ich meine.«
    Eduard erfüllte den Wunsch seines Vaters und spielte ernste Stellen aus Don Juan. Natürlich geberdeten sich die Erzieher bei dieser Musik ganz überschwenglich glücklich. Auf den weinseeligen Külper hatten indessen die Töne des Konzerts einschläfernd gewirkt. Als Eduard aufhörte zu spielen, erscholl aus der rechten Zimmerecke auffälliges Schnarchen. Der hagere Dr. Pennig stieß seinem Freund vergebens den dürren Ellbogen in die fette Hüfte . . . er röchelte ruhig weiter. Allgemeines Gelächter.
    »Lassen wir ihn gut verdaun,« scherzte der Direktor.
    »Er macht wenigstens, wenn auch nicht der Kunst Ihres Sohnes, doch der Kochkunst Ihrer Frau Gemahlin alle Ehre,« schmeichelte in der höchsten Stimmlage Pennig.
    »Ach, die Kochkunst meiner Frau . . .« seufzte Körn, unterdrückte aber den satirischen Einfall, als Katharina ihn mit einem wütenden Seitenblick streifte.
    Körn wurde indes auch mitten im Lärm der heiteren Gesellschaft den Eindruck von Emmas Liebreiz nicht los. Jeder Ton auf dem Klavier zauberte ihm ihr Bild wieder vor Augen.
    Das kleine Fest verlief sehr heiter. Eduard mußte singen, Karl deklamieren. Die Herren Lehrer tranken unpädagogische Mengen von Alkohol und wußten sich vortrefflich in ihre herrliche Studentenzeit zurückzuversetzen.
    *
    Während aus dem zweiten Stock Klavierspiel, Gelächter, das dumpfe Gemurmel eines von vielen Menschen geführten Gesprächs, durch den Fußboden des dritten Stockwerks heraufscholl, saß Rechtsanwalt Meyer in seinem Arbeitszimmer, über seine Münzen gebeugt, die aus den Kästen ihm entgegenglänzten. Er hatte einen alten Rock an und rauchte, was er stets tat, sehr stark. Das ganze Zimmer war in einen fast undurchdringlichen Zigarrendampf gehüllt, dessen Nebel die elektrische Lampe kaum durchdringen konnte. Nebenan, im kleinen Zimmerchen das ans Schlafzimmer stieß, saß Nata. Sie hatte sich eine amerikanische Schreibmaschine angeschafft und machte Abschriften für Geschäftsleute und Schriftsteller. In stillen Momenten hörte man das einförmige Klappern der Maschine bis hier herüber. Auf dem Büro arbeitete sie nicht mehr, sie verdiente zu Hause mehr. Drüben im Wohnzimmer plauderte schon seit einer Stunde Otto mit Emilie. In jedem Augenblick konnte er an die Tür klopfen, – das Verhängnis war nahe. Die Schläfen pochten dem Anwalt wie im Fieber, er stützte den Kopf auf den Arm und starrte vor sich hin. Ein Gefühl, als müsse er in einem wüsten Halbschlaf versinken, kam über ihn. Die glänzenden Münzen flimmerten ihm vor den verschleierten Augen wie ferne, ferne Sterne. Er begann tatsächlich vor Erregung zu phantasieren. Die alten Cäsarenköpfe auf den Goldstücken kicherten ihm zu: »Hi hi! Du Hallunke! Ei, Kerl, du bist ja noch weit schlechter als wir! Hi hi hi! wir haben doch nur im Großen gestohlen, du – im

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