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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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gab sie zurück.
    »Das gäbe schöne Verhältnisse!« bemerkte er ironisch. »Nein – ich denke, ich mache keinen Gebrauch von deiner liebenswürdigen Erlaubnis.«
    »Wie du willst!« Sie wandte sich, zu gehen.
    »Ich wandle auf dem Pfad der Ehrbarkeit ruhig weiter, wie bisher!« rief er mit verdächtigem Pathos hinter ihr her. »Ich begreife dich nicht, begreife mich selbst nicht, daß ich deine perversen Auseinandersetzungen so ruhig mit anhöre.«
    »Vielleicht weil sie dir im Stillen gefallen?« lächelte sie, unter der Tür.
    »Jetzt ists aber genug!« sagte er entschieden, indes immer noch ohne eigentliche Heftigkeit.
    Sie verließ lachend das Zimmer. Dies Lachen wollte ihm beinahe heimtückisch erscheinen.
    In Wahrheit war ihm die Wendung, die das Gespräch genommen, aus verschiedenen Gründen nicht unangenehm. Die Freiheit, die ihm seine Frau zu lassen versprach, reizte ihn. Er konnte ihr nicht schroff widersprechen, er mußte sich gestehen, daß diese Art ihrer geistigen Minderwertigkeit ihm sehr willkommen war und daß er in Versuchung geraten werde, von ihrer Erlaubnis Gebrauch zu machen.
    Wenn sie nur nicht geheime böse Absicht dabei hatte!? –

    10.
    Es waren etwa acht Tage vergangen.
    Für den heutigen Abend hatte der Direktor einige Lehrer des Gymnasiums eingeladen. An solchen Abenden war Körn ein entzückender Gesellschafter, dem man den Schulmeister nur wenig anmerkte. Es ward auch musizirt, – doch war die moderne Musik streng verpönt. Obwohl Körn im Stillen z. B. das Lohengrinvorspiel und viele Stellen aus Tristan, Parsifal u. s. w. sehr gern hörte, durften diese Töne nie vor seinem Ohr angeschlagen werden. Nur wenn er sie zufällig hören mußte, etwa beim Vorübergehen an einer auf der Straße spielenden Militärkapelle, lauschte er ihnen . . . mit einem Genuß, den er sich freilich selbst wieder durch Kritik zu zerstören suchte.
    Die Herren Lehrer umschmeichelten wie gewöhnlich ihren Direktor; die Frau Direktor gab sich alle Mühe, ihre Haushaltungstalente glänzen zu lassen. Sie tat das um so mehr, weil sie wußte, daß ihr Gatte sich überall über ihre Unordnung beschwerte. Nun wollte sie der Gesellschaft zeigen, daß ihr Mann ihr Unrecht tue, daß sie eine musterhafte Hausfrau sei.
    Der Direktor, der so ungemein gern sein großes Rednertalent glänzen ließ, war mit seinen Herrn Lehrern in eine hitzige politische Debatte geraten. Natürlich war er mehr konservativ als liberal, während der freimütige Dr. Köhler fast in blutiger Morgenröte vor ihm erglänzte. Köhler besaß ein scharfes Mundwerk und genirte sich nicht, seinem Vorgesetzten wacker die Zähne zu zeigen, ja ihm zuweilen Eins drauf zu geben, was diesem oft das Blut zum Kopf trieb. Die andern Herrn lauschten mit gruslichem Behagen den heftigen Angriffen und gönnten im Stillen ihrem konservativen Vorgesetzten die Hiebe, die er dankend quittieren mußte; obwohl sie natürlich taten, als ob sie die scharfen Ausfälle Köhlers misbilligten. Als Köhler seinen Trumpf ausspielte und rief: »Konservativ sein, heißt im letzten Grund: barbarisch sein!« ertönte ein andauerndes »Oho« aus den weinschlürfenden Lippen der Erzieher.
    »Ich bitte Sie, Herr Doktor!« ächzte der fromme Dr. Simmer, im Stillen vor Wonne fast platzend, »wie können Sie unsern hochverehrten geistreichen Herrn Direktor barbarisch nennen?«
    »Wie?« fragte Köhler, »hab ich unsern Herrn Direktor barbarisch genannt? Ich habe einen allgemeinen Satz aufgestellt, – weiter nichts. Wären wir immer konservativ geblieben, so lägen wir immer noch mit den alten Germanen auf den Bärenhäuten.«
    »Da wären wir,« versetzte Körn, »besser daran als jetzt in unseren verzärtelnden Wohnungen. Nein, meine Herren, das Neue ist selten das Gute. Das Alte ist wenigstens erprobt. Natürlich verwerfe ich nicht alles Neue. Nur muß der Fortschritt nicht mit blinder Hast drauflosstürmen; der Fortschreitende soll sich gewissermaßen bei jedem Schritt zweimal um sich selbst herumdrehen.«
    »Oder so oft, bis ihm vor lauter Drehen schwindelig wird,« spottete Köhler.
    »Oho! vom Schwindel wird gerade der Fortschritt befallen!« witzelte Körn. Dieser fade Scherz ward mit einem allgemeinen begeisterten »Bravo!« gefeiert. Die Lehrer wollten mit ihrem übertriebenen Beifall dartun, daß sie die Debatte für beendet und ihren Meister für den Sieger hielten. Dr. Köhler schwieg verstimmt. Der fette Külper hatte indessen eine halbe Taubenpastete aufgegessen

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