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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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ich hier her komm. Laß mich! muß fort!«
    »Wohin denn?«
    »Ja . . . wohin?«
    »Nu ja, wohin denn? Gehst nach Haus?«
    »Nach Haus? Ich hab kein zu Haus mehr!«
    »Otto, faselst du?«
    »Ja, ja! Laß mich.« Er riß sich los.
    »Jetzt,« sagte Karl, der anfing Angst zu bekommen, »jetzt will ich aber ernstlich wissen, was das ist. Komm herein! setz dich, und tu den Mund auf!« Er hatte den matt Widerstrebenden ins Zimmer zurückgezogen. »So!« sagte er und stieß den Wankenden auf einen Stuhl. »Jetzt bleibst du da sitzen. Was ist los? bist du krank? oder was ist?! Wo bleibt denn dein alter Humor?«
    Otto griff sich an den Kopf. »Ja, ich glaub, ich werd verrückt,« murmelte er gepreßt. »Ich bin . . . Entsetzlich . . . nicht wahr?«
    »Was denn?«
    »Ich bin ein Bettler!« flüsterte er. Dann flossen endlich seine Tränen; er weinte auf eine Art, die Karl beinahe humoristisch zu nehmen versucht war, so etwa wie ein Zirkusklown, der vom dummen August eine Ohrfeige erhalten hat. Karl mußte wirklich an sich halten, um nicht zu lachen.
    »Ein Bettler?« fragte er. »Aha! errat ich? Der Rechtsanwalt? gelt?«
    Otto nickte und wiederholte in einem fort die Phrase Meyers im selben Tonfall: »s ist nichts mehr da . . . nichts mehr da . . .«
    Zwischen Lachen und Mitleid schwankend, fragte Karl: »Unterschlagen?! Mensch! dein ganzes Vermögen?«
    »Alles fort! ein Bettler steht vor dir. Es ist nichts mehr da . . . nichts mehr da.«
    Karl schritt einmal, erregt vor sich hin hüstelnd, durchs Zimmer. Er war in einer sonderbaren Stimmung, er mußte tatsächlich eine gewisse Heiterkeit in sich niederkämpfen.
    »Das hätt ich nicht erwartet!« murmelte er unaufhörlich vor sich hin. »Nein! Das hätt ich nicht erwartet! Also . . .« Dann platzte er in einem Lachkrampf heraus, dem er aber, sich selbst innerlich tadelnd, hastig eine ernste Tonfärbung zu geben suchte, so daß er einem Hustenanfall glich.
    »Also so stehen die Sachen?« pustete er. »Für so n Schuft hätt ich ihn doch nicht gehalten. Schau, schau! Die Menschen sind ja noch viel viel gemeiner als wir Pessimisten uns träumen lassen! Unterschlagen? ha! ha! ha!« Er lachte wieder bitter auf. »Sehr gut! Und wir wollten zusammen ziehen? Ja! jetzt macht das Schicksal nen dicken Kohlenstrich durch die reizende Zeichnung. Verlaß sich Einer auf nen Glücksfall. Na also mir nicht allein, – anderen Leuten gehts auch schlecht? Und du? was willst du jetzt anfangen? Du nervöser Mensch? Du Unglücksgeschöpf?«
    »Ins Wasser springen,« murmelte Otto, auf eine so possirliche Art, daß Karl krampfhaft sein Lachen unterdrücken mußte.
    »Da hast du immer noch Zeit,« meinte er;»s Wasser lauft dir nicht fort, – s ganze Weltmeer steht dir zur Verfügung. Warts erst ab! Freilich . . . bei deinen Nerven! wo du nichts verdienst! Na! warts erst ab! ersäuf Katzen und junge Hunde!« Sein Blick streifte den mit kläglicher Miene Dasitzenden. Sein inneres Lachen verwandelte sich jetzt endlich in ernste Teilnahme. Er ging auf ihn zu, legte dem Bekümmerten die Hand auf die Schulter und fragte mit bewegter Stimme: »Ist denn auch wirklich gar nichts mehr da? Kein roter Heller mehr?«
    »Sie macht mir Versprechungen,« seufzte der Künstler, »die sie aber wohl nicht halten kann.«
    »Versprechungen? Wer? Die Frau Rechtsanwalt?«
    »Ja! Sie will mir das Geld irgendwoher verschaffen . . . ich weiß nicht . . . So hab ich sie wenigstens verstanden.«
    »Ach so! nu dann warts ab. Vielleicht haben sie Verwandte, die ihnen aus dem Schlammassel helfen. Mach nur nicht gleich eine Anzeige beim Gericht! Was hast du davon?«
    Otto schüttelte den Kopf. »Überhaupt,« sagte er, »sprich auch du nicht von der Sache; s ist nur wegen der armen Frau und der Tochter. Die sind ja ganz unschuldig.«
    »Ja,« meinte Karl, »für die tut mirs auch leid. Von mir erfährt keine Seele etwas; ich schweige. Das Übrige ist deine Sache.«
    Otto war aufgestanden. Karl reichte ihm die Hand und sagte treuherzig: »Verlier den Mut nicht, und . . . was mein ist, ist auch dein. Nur ist halt sehr wenig mein.«
    »Danke,« stammelte der Künstler. »Für die erste Zeit reichts noch. Ich hab ein paar Illustrationen für ne Zeitschrift verkauft; aus der Villa wird nun freilich nichts.«
    »Kann man nicht wissen!« meinte Karl, ergriffen vom Schmerz des Freunds. »Vielleicht bringen sie doch noch was zusammen. Ich kann nur wiederholen: warts ab. Und dann kannst du – als letztes

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