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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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stellen, sie besitzt gute Eigenschaften.«
    »Und ist so hübsch!« setzte sie lauernd hinzu.
    Er antwortete hierauf nicht, sondern trommelte mit der Feder auf dem Pult herum, was ihr auffiel.
    »Findest du das nicht?« fragte sie, den Kopf zu ihm hinwendend.
    »Was?« fragte er, als ob er es überhört hätte.
    »Tu doch nicht so!« sagte sie. »Du hast mich verstanden.«
    »Wieso? Was denn?«
    »Ach – ich habe doch gemerkt, daß du kein Aug von ihr ließest.«
    »Aber Katharina!«
    »Du hast sie doch ganz begeistert angestarrt. Leugnest du?«
    »Begeistert starren ist überhaupt nie meine Sache.«
    »Nun dann – lüstern.«
    »Pfui! ich verbitte mir das! hörst du?«
    »Daß sie hübsch, sehr hübsch ist,« fragte sie, »hättest du nicht bemerkt?«
    »O . . . ja,« zögerte er mit der Antwort. »Recht nett.«
    »Nett, nett!« tadelte sie. »Das ist doch kein Ausdruck! Ich finde sie entzückend. Diese flammenden Augen, diese edelgeschwungene Stirn . . .«
    Er machte: »Hm – ja!«
    Dabei grauste ihm vor der knochigen Gestalt seiner Katharina dermaßen, daß ihn geradezu eine körperliche Schwäche anwandelte. Sie trug heute wieder jenen Rosenknospenkranz von Wimmerln um den eingefallenen Mund, der ihm schon seit langer Zeit so widerwärtig an ihr war. Ihre Schillernase leuchtete auch ziemlich rötlich, ihre Haare wurden bedenklich dünn. Doch über diese Äußerlichkeiten würde er ja schließlich weggesehen haben, wenn nur ihre Seele nicht völlig die frühere jugendliche Anmut eingebüßt hätte. Nur andern Menschen gegenüber tauchte noch etwas von ihrer früheren Liebenswürdigkeit auf; ihn behandelte sie fast nur noch als Feind. Und merklich tat es einen Ruck in seiner Seele –: die Worte Dr. Müllers zuckten durch sein Gedächtnis! . . . Wenn man seine Frau in eine Anstalt bringen könnte? Eine weite blühende Aussicht öffnete sich vor seinen trunkenen Blicken.
    »Ich glaube wahrhaftig,« sagte er, »du fügst zu deinen übrigen recht peinlichen Eigentümlichkeiten noch die entsetzliche Schrulle einer unbegründeten Eifersucht?«
    Sie schwieg einen Augenblick. Dann wendete sie ihm ihr unschönes aber ehrliches Gesicht zu und lächelte. »Nein, Eifersucht kenne ich nicht. Du hast jede Freiheit in diesem Punkt, . . . Narrenfreiheit. Ich weiß, daß ich dich nicht mehr fesseln kann, hab auch garnicht das Bedürfnis danach; darüber bin ich hinaus. Zwei im Ehegefängnis eingeschlossene Unglückliche denken nur noch an die Freiheit. Nimm sie! zerstreue dich! ich hab ja dann vielleicht vor deinen Schrullen und Launen Ruh und kann meinen Götheforschungen ungestört obliegen.«
    »Immer wieder diese Forschungen,« murmelte er.
    »Wie? Was?« höhnte sie bissig. »Ja, du wärst freilich froh, wenn du nur so einen gewandten Styl schriebst wie ich. Die Gelehrsamkeit allein macht den Gelehrten nicht; man muß sie auch in eine schöne Form bringen können.«
    »Ach was verstehst du davon!«
    »Natürlich! Davon versteht nur der akademisch Gebildete etwas. Nun gut. Schweigen wir darüber. Ich wollte nur sagen: in Dingen der Liebe bin ich völlig modern, d. h. vorurteilsfrei; weit mehr als du! Du möchtest ja auch frei sein in diesem Punkt, dich hemmt aber – der Schulmeister; dir lähmen allerlei anerzogene, alberne Ehr- und Rechtsbegriffe die gesunde Logik. Ich kenne dich hierin besser als du selbst.«
    »Nun,« wendete er betreten ein, »es muß doch auch da gewisse Sittengesetze geben . . .«
    »Die man ja im Stillen selbst für unsinnig hält!« fiel sie ein, »und nur deshalb anerkennt, weil man sich durch die allgemeine zur Macht erhobene Dummheit dazu gezwungen sieht.«
    »Du bist wirklich unberechenbar,« sagte er ernst. »In vielen Dingen so streng, so tadelsüchtig; in andern wieder . . . mehr als tolerant! Soll das noch gesund sein? Daß du eine Untreue mir so leicht verzeihen würdest, – ich rede nur so, denn du kennst ja meine festen Grundsätze! – das könnte man füglich als Moral-Irrsinn bezeichnen. Es scheinen mir wirklich in deinem Kopf alle sittlichen Begriffe verwirrt.«
    »Die moderne Zeit,« sagte sie überlegen, »kennt keine Moralbegriffe mehr. Sie fragt nur, was ist nützlich, was ist schädlich. Eine Handlung, die weder Nutzen noch Schaden stiftet, ist erlaubt.«
    »Und,« fragte er, aber merkwürdig mild, ohne jede Spur von Entrüstung, »wenn mir außer meinem Weib ein anderes gefällt, das bringt keinen Schaden?«
    »Wenn dein Weib nichts dagegen einzuwenden hat?«

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