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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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hatte, seufzend im Spiel inne.
    »Ich gebs auf!« sagte er in seiner harlekinhaften Weise.
    »Warum denn?«
    »Ich hab n Gehör wien Maulwurf.«
    »Das Gehör läßt sich heranbilden.«
    »Ah was, ich hab ja eigentlich auch nur Unterricht genommen, – um nichts zu lernen.«
    Sie lachte.
    »Ja! um Sie spielen zu hören! Also . . . spielen Sie mir was, so was recht . . . Ideales, Sentimentales.«
    Er quetschte wie in burlesker Sehnsucht ersterbend die Augen zusammen und gab mit possirlichem Gesichtsausdruck schmachtende Seufzer von sich. Sie mußte laut auflachen. Er verstärkte das grunzende Sehnsuchtsgestöhn. Dann rückte er bei Seit und ließ die immer noch Lachende auf den Drehstuhl.
    »Gehn Se, spielen Se mir – n Wagner.«
    »Daß unmusikalische Leute so gern Wagner hören!«
    »Wagner hat expreß für uns geschrieben. In seiner Kunst ist Etwas, das auch den Laien packt, etwas Nervöses.«
    Sie setzte sich. Ihre durchsichtigen Finger leuchteten weiß. Wie die Finger einer eben vom Kreuz abgenommenen Märtyrerin! dachte Otto. Er glaubte die edelgeformte Hand noch in der Mitte bluten, die durchgeistigten Fingerspitzen schmerzhaft zucken zu sehen. Ihr großes, blaues Auge hing flehend an dem überm Klavier aus dem Goldrahmen herabweinenden Christuskopf; die rührend dünnen, schmerzdurchseelten Linien ihres Gesichts hoben sich zart vom allmählich dunkler werdenden Hintergrund des Zimmers ab. Das dünne, zarte Kinn, die wie in verhaltenem Kummer unter die Oberlippe zurückgezogene Unterlippe gemahnte ihn an jene Engelsgestalten der Prärafaelitischen Kunst, und das farblosgraue, enganschließende Kleid mit dem langen, feierlichen Faltenwurf verstärkte diesen Eindruck.
    Sie spielte nicht Wagner. In dieser Musik lag ihr eben zu viel Theater. Eine Sonate von Beethoven entquoll ihren Fingern. Otto war ganz Andacht und diese echte Kunstbegeisterung, die aus den geistvoll herzlichen Augen strahlte, goß über den häßlichen Kopf eine höhere geistige Schönheit. Neben ihm saß der Kater Peter. Er streichelte das zarte, schwarzweißgestreifte Fell des Tiers. Durch die feierlichen Töne angeregt wars ihm als schlössen sich vor ihm die Türen der Vergangenheit und der Zukunft auf; es offenbarten sich ihm tiefe Geheimnisse. Er sah die Präexistenz und Futuralexistenz des Katers vor sich, wie er einst als böser Dämon im Weltall gehaust, und nun durch dieses Erdenleben sich auf sein nächstes Erdenleben in dem er Mensch sein sollte vorbereiten wolle.
    Es ging schon gegen Abend. Die Flügeltüre, die in den herbstlich geröteten Hausgarten führte, stand offen. Über die Schwelle trug raschelnd der kühle Herbstwind einige gelbe Blätter, kleinwinzige welke Gerippe, die tanzten im Zimmer ihren Totentanz. Das brechende Sonnenauge warf einen ersterbenden Strahl über die Dächer und vergoldete nocheinmal mit trübviolettem Purpur die einfachen Möbel des beinahe ärmlichen Zimmers. Und draußen in dem gelbgrünroten Gemisch der welkenden Büsche blinkte die große goldne Gartenglaskugel auf, deren spiegelnde Wölbung einen seltsamen phantastisch-chinesischen Eindruck auf den Maler machte.
    Auf einmal legte er seine Hand auf die in den Tasten wühlenden Finger des Mädchens. Sie sah ihn verwundert, aber gutmütig lächelnd an, er sie mit dem schmachtend gen Himmel gerichteten Blick des losen Schalks. »Spielen Sie nicht mehr!« bat er mit einer possirlich-schwärmerischen Klangfarbe in der Stimme.
    »Warum?«
    »Weil ich Sie liebe!«
    Sie lachte laut auf. »Wunderliche Logik!«
    »Ihre Töne tun meiner Liebe weh.«
    »Weh?«
    »Weil sie ja doch nicht erwidert wird.«
    »Dann spiel ich erst recht.«
    Sie schmetterte einen gemeinen Schmachtlappen von Walzer herunter: »Tut das auch Ihrer Liebe weh?«
    »Nein, das wiegt sie sanft ein.«
    »Wie können Sie erwarten, daß ich Ihre Liebe erwidern soll,« lachte sie, »wenn Sie einen so gemeinen musikalischen Geschmack haben?«
    »Sie lieben mich deshalb nicht, Luischen, weil ich nen roten Hals, rote Haare und ne Glatz habe.«
    »Im Gegenteil, ich schwärme für rote Hälse; schade, daß Ihre Nase nicht auch was vom Hals abgekriegt hat, dann kennte meine Bewunderung kein Grenzen.«
    »Ich werd mich erschießen, wenn Sie so spotten!«
    »Ich will Ihnen gleich Ihren Trauermarsch vorspielen.«
    Er hatte schon oft am Schluß der Stunde ein solches Scherzgeplänkel mit ihr aufgeführt, auf das sie stets gern eingegangen war. Diesmal kam es ihr aber doch vor, als berge sich tiefere

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