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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Mädchen nach, bis sie am Gartenhaus Halt machte, die Glastür aufschloß und ihn ins Innere einließ.
    Luise war nicht zu Hause. Emma führte ihren Gast in ihr Schlafzimmer. Beinahe fand der ordnungsliebende Mann in dem sauberen Raum nichts zu tadeln; nur Eines fiel ihm auf: aus der Türe des Kleiderschrankes lugte das eingeklemmte Ende eines blauen Kleides. Seltsam! diese gelinde »Schlamperei,« die er bei seiner Frau streng getadelt hätte, erfüllte ihn hier mit ahnungsvollem Entzücken; er hätte das blaue Kleidende küssen mögen.
    Es blieb dem Pädagogen nichts anders übrig, er mußte den Rock ausziehen, so daß er jetzt in Hemdärmeln vor ihr stand.
    »Wehe, wenn sie losgelassen!« deklamierte er. »Auch das Hemd ist angefeuchtet; der Kerl hat ein miserables Bier getrunken.«
    Gleich war sie mit der Waschschüssel bei der Hand und wusch zunächst den Hemdärmel gründlich aus. Sie tat das mit einer solch dezenten Grazie, daß der gute Magister völlig faszinirt sich nicht zu rühren wagte und auf einmal in die Worte ausbrach:
    »Aber Fräulein, was haben Sie für eine klassisch geformte Hand!«
    Worauf sie versetzte: »Ach, wenn das was die Hand schreibt, doch auch klassisch wäre!«
    »Nun,« meinte er galant, »das kann es noch werden.«
    Jetzt erwachte in ihr der Drang sich möglichst tief in die Gunst des Gestrengen einzuschmeicheln.
    »Ach Herr Direktor,« seufzte sie, »meine Schreiberei könnte nur dann einen höheren Aufschwung erhalten, wenn . . . ja wenn . . . ein Mann wie Sie sich ein wenig ihrer annehmen wollte.«
    »Was verstehen Sie, liebes Kind, unter annehmen?« fragte er mit fast zärtlichem Tonfall der Stimme.
    »Ich möchte . . . Ihre Schülerin werden,« gestand sie zaghaft.
    »Meine Schülerin?« lächelte er. »Sehr schmeichelhaft für mich. Wirklich, ungemein schmeichelhaft! Doch – was soll ich Ihnen denn beibringen?«
    »Ja, sehen Sie,« erwiderte sie; »ich bin eben daran einen Roman aus dem griechischen Altertum zu schreiben; einen »Sokrates«. Ich studiere zu diesem Zweck eben eine Menge Bücher über griechische Kulturgeschichte; auch die ganze griechische Lyrik kenne ich aus guten Übersetzungen. Aber natürlich fehlt mir als nicht klassisch gebildetem Geschöpf noch gar viel, um in den griechischen Geist tiefer einzudringen.«
    »Ah,« sagte er ganz berauscht von der Art, wie sie beim Abwaschen des Hemds, zuweilen ihm mit dem Schwamm aus Versehen auch über den Arm strich. »Da meinen Sie . . . ich begreife . . . ich soll Ihnen mit meinen Kenntnissen . . . ach das wäre ja eine sehr lohnende Aufgabe, gewiß! Ich würde Ihre Arbeit gern fördern!«
    Nun fing er gleich an, in echt professoraler Gelehrsamkeit sich über die griechische Litteratur zu verbreiten. Obgleich ihm dabei Verhältnisse wichtig waren, die Emma gar nicht besonders interessierten, die ganz außerhalb des Rahmens ihres Romans lagen, freute sie sich doch an der echten Begeisterung des Mannes für das Schöne, Hohe und Gute dieser großen Zeit. Er begann zu schwärmen, er ward ganz jugendlich, als er von Alkibiades, Aspasia, Perikles, zu erzählen anfing.
    »Es waren doch schönere Zeiten als wir sie jetzt haben!« meinte sie. »Der Mensch konnte sich mehr seiner Natur nach entwickeln. Selbst der Sklave lebte freier, als jeder durch Polizeiparagraphen eingeengte moderne Staatsbürger.«
    »Da haben Sie recht!« meinte er mit feuchten Augen. »Wir sollten danach streben, daß diese schönen Zeiten wieder erwachten! Sehen Sie, man darf es ja nicht laut sagen, – aber unsere ganz auf der christlichen Entsagungslehre aufgebaute Moral taugt gar nichts. Die erzieht nur Heuchler! Katzen, die lüstern um den heißen Brei herumstreichen.«
    »Das ist auch meine Meinung!« bekannte sie.
    Er fuhr fort: »Jetzt ist es ja so weit gekommen, daß man die Enthüllung des schönen Körpers an sich schon für sündhaft hält und der Jugend die Betrachtung derartiger Bilder in den Schaufenstern verbietet! Weil es verführe! Da sollte man lieber so rasch als möglich auch den Delikatessenhändlern verbieten, ihre appetiterregenden Leckerbissen den hungrigen Sozialisten in den Schaufenstern zu zeigen. Das verführt doch weit gesellschaftsgefährlicher!«
    »Mein Gott, Herr Direktor,« lachte Emma, »ich habe Sie für einen Philister gehalten, bemerke aber mit Freuden, daß Sie ja von freisinnigen Ansichten nur so strotzen!«
    Sie hatte ihm ganz begeistert ihre Hand hingehalten, die er ergriff.
    »Nein, nein,

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