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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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gegen acht Uhr bekamen die Freundinnen noch den Besuch von einigen Mitgliedern des Pegasusklubs; darunter war wieder der verbissene Schauerromanfabrikant Schnätz, der kürzlich ein bluttriefendes Drama in der Art von Trilby am Stadttheater angebracht hatte.
    »Wisse Se,« erzählte er in seinem Pfälzer Dialekt, »wie mer das gelunge is?«
    »Nun?« fragte Emma. »Es ist doch bekanntlich fast unmöglich, ein Drama an irgend eine Bühne zu bringen!«
    »Freilich!« gab Schnätz zu, und stocherte sich in die Zähne, wobei er das Mißgeschick hatte, etwas von Speiseresten bombenwurfartig über den Tisch hinüberzuschleudern, sodaß die Gegenübersitzenden in Gefahr gerieten. Schnätz machte sich aber nichts daraus und fuhr fort: »Freilich! ich bin auf n schlaue Gedanke gekomme. Wisse Se was? ich hab den Direktor zum Mitarbeiter gewonne, hihihi!«
    »Den Direktor?« fragte man neugierig.
    »Er bekommt die Hälfte sämtlicher Einnahmen,« fuhr er bluttriefende Volksschriftsteller, der nur für den normalen Geschmack dichtete, fort. »Die Hälfte, – ohne daß er auch nur eine Zeil an dem Werk geschrieben hat.«
    Man lachte.
    »Es ist entsetzlich,« meinte Emma, »was sich ein Schriftsteller gefallen lassen muß.«
    Der pensionierte Amtsrichter Meißel wollte absolut sein Weltanschauungsepos vorlesen, ein Unheil, das nur dadurch von der Gesellschaft abzuhalten war, daß sich der junge Komponist Hinrichs ans Klavier setzte und sein neuestes Lied zum Besten gab. Dies Lied machte nun der Gesellschaft auch gerade kein sonderliches Vergnügen, da es gänzlich melodielos war und nur aus seltsam verrenkten Harmonien und entsetzlichen Disharmonien bestand, es hielt aber doch die größere Gefahr, die Verlesung des Fixsternepos von den Häuptern der Gäste fern.
    Hinrichs suchte schon seit Jahren nach einem Operntext; keiner paßte ihm, so daß die verschiedenen Poeten behaupteten, der Komponist mäkle nur an den Texten herum, um seine Unfähigkeit nicht offenbaren zu müssen.
    Der Kritiker Ellmeister war auch da. Diesem war kürzlich die Frau durchgebrannt, weshalb er sich in ganz besonders aufgeräumter Stimmung befand. Er gehörte der niedersten Boheme an, soff wie ein Loch, wovon seine rote Nase Zeugnis ablegte, und stürzte sich von einem Liebesabenteuer ins andere, wovon andere Symptome erzählten.
    Mehr im Hintergrund des Zimmers hielt sich Herr Holler auf. Ihm war vor einiger Zeit in einem Stadttheater ein Drama ausgezischt worden, was einen solch niederschmetternden Eindruck auf seine Psyche hervorgebracht hatte, daß er kaum ein Wort redete, mit düstrer Miene vor sich hinstarrte und den schönen Weltschmerzler spielte. Er behauptete natürlich: nicht sein Stück, sondern das Publikum sei durchgefallen. Seine Kollegen, die sich im Stillen sehr über seine Niederlage freuten, bedauerten in tiefgefühlten Worten sein Misgeschick.
    Emma durchschaute die Heuchelei, den Neid, die Genuß-, Gold- und Ehrsucht dieser Aristokraten des Geistes schon seit langer Zeit, weshalb sie sich auch vorgenommen hatte, aus dem Pegasusverein auszutreten. Sie hatte schon oft ihrer Freundin gegenüber die Bemerkung gemacht: es sei merkwürdig, daß die Kunst selten den Charakter ihrer Jünger veredle! Sie erklärte diese bedauernswerte Tatsache daraus, daß sich heutzutage leider mit der Kunst Geld verdienen lasse; das sei in früheren Zeiten immerhin besser gewesen.
    *
    Emma selbst war nur allzusehr in der Lage, die verderbliche Wirkung des Geldes auf die Kunst zu verstehen. Seit einiger Zeit stand sie in Beziehungen zu einem Kunsthändler, in dessen Auftrage sie alte holländische Gemälde kopierte. In solchen Arbeiten besaß sie vermöge ihres weiblichen Anschmiegungs- und Nachahmungstalents eine große Geschicklichkeit. Der wohlbeleibte Kunsthändler war entzückt von der Treue ihrer Kopien und hatte ihr versteckter Weise den Antrag gemacht, sie solle für ihn auf altes zurechtgemachtes Holz mehrere dergleichen alte Landschaften im niederländischen Styl malen; er würde diese Werke gut honorieren. Emma wußte, daß derartige Altertümer dann oft als echt nach Amerika verkauft wurden. Um dem Kunsthändler zu beweisen, daß sie dieser Aufgabe gewachsen sei, hatte sie wirklich ein solches kleines Bild gemalt.
    Der Händler besah es und war ganz begeistert. Das sei ja der reinste Niederländer, nicht zu unterscheiden von einem echten.
    Sie lachte. »Ich will nicht, daß Sie das Bild für echt verkaufen!« sagte sie. »Ich setze hier meinen

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