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Walpurgistag

Walpurgistag

Titel: Walpurgistag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annett Groeschner
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Jugendverband.
    Frau Menzinger: Wat, Sie kenn’n die? (Kurzes Schweigen.) Dass Se Kommunistin waren, hätt ick nicht jedacht.
    Frau Köhnke: Nur kurz. Meine Mutter war in Thälmann verliebt. Das war aber auch wirklich ’n schöner Mann! Deshalb hat sie uns Mädchen bei den Kommunisten angemeldet. Vielleicht weil sie dachte, dass wir dort ’ne gute Partie machen. War aber nicht so. Und dann hatte sich das ja auch bald erledigt mit all dem Zeug.
    Frau Menzinger (verfällt noch stärker in ihren Dialekt) : Ick fand den Thälmann nich schön, der hatte so ’n dicken Kopp. Naja, Verjangenheit, über die Jejenwart muss man sich uffregen! Wenn ick schon diesen Kerl da sehe. Sehn Se den? Det is der, dem det Kabriolett jehört. Dieset Männeken, wat kostet de Welt. ’ne Landmine müsste jetze losjehn. Dafür dass man uns Alte ins Betreute Wohnen steckt, damit die unter sich sein können. In unsern Häusern!
    Frau Köhnke: Ach, Sie waren Besitzerin? Mussten Sie veräußern?
    Frau Menzinger: Quatsch, Besitzerin. Icke! ’ne Wohnung, in der meine Familie seit achtzig Jahren wohnt, ist das etwa nich meine?
    Frau Köhnke: Die haben eine andere Auffassung von Eigentum wieder ins Recht jesetzt.
    Frau Menzinger: Die kommen hierher und führen ihre symbolische Ordnung ein.
    Frau Köhnke (schaut sie fragend an) : Wat für eene Ordnung?
    Frau Menzinger: Hab ick jelesen. Fand ick jut. Sag ick jetze immer. Vor allem, wenn die mir ihr’n schlechten Kaffee für drei Euro als Latte macke weeßnichwas verkoofen.

    Frau Köhnke: Die sind seit über zehn Jahren hier, da muss man sich nicht mehr drüber aufregen, Frau Menzinger.
    Frau Menzinger: Ick reg mir uff, solange Atem in mir is. Die da unten links sieht aus wie Grete, nur dass man damals die Blusen noch länger trug. Als wenn der Bauchnabel ’n Ausstellungsstück wäre. Einfach übrig jeblieben von’ner Geburt und zu nichts nütze, da muss man nich noch mit angeben.
    Frau Köhnke: Die geben doch nicht mit ihren Nabeln an, sondern mit ihren flachen Bäuchen.
    Frau Menzinger: Is mir doch ejal. Ick freu mich, wenn wieder Winter kommt und sie Jacken drüberziehn müssen. Demnächst wird es noch schick, im Friedrichshain zu kopulieren.
    Frau Köhnke: Was, haben Sie das nicht gemacht als junge Frau? Frau Menzinger!
    Frau Menzinger: Nein, natürlich nicht, wozu hatten wir det weiße Schleiflackschlafzimmer?
    Frau Köhnke: Aber draußen ist’s doch viel romantischer. Wer wusste denn ’44, ob der Junge wiederkommt und ob einem nicht am selben Tag’ne Bombe auf’n Kopf fällt. Da hat man sich nicht aufgehoben!
    Frau Menzinger: Sie sind ooch jünger, meine Liebe. Ick war verheiratet, mein Mann war behindert, aber nicht, wo Sie denken, und musste nicht in den Krieg. Und ausgebombt waren wir auch nicht.
    Frau Köhnke: Woher wollen Sie wissen, was ich denke?
    Frau Menzinger: Eigentlich erinnern Sie mich entfernt an die Grete. Vom Aussehen her. Die liebte die mit den Muskeln, die Karussellluden. Det war ihr Untergang. Unter ’m Dachboden hat sie gehangen. Ick hab se jefunden, und immer wenn ick später auf den Dachboden musste zum Wäscheaufhängen, hab ick sie da jesehen. Sie hatte unsere Wäscheleine benutzt. Ick hab mir dann später von ihre Mutter det Jeld für’ne neue jeben lassen, wir hatten’s ja nich so dicke. Die Polizei hatte nämlich den Strick konfisziert. Und was soll ich Ihnen sagen, jenau unter der Grete ihrem schaukelnden Jeist hat der Vermieter sein Sofa gestellt. Schönet großet
Fenster, reinjepickt ins Dach, damit man den Schatten noch besser schaukeln sieht. Ick war nämlich mal da oben. Und da hab ick ihm beim Rausgehen jesagt, dass der Jeist von der Grete ihm det Leben zur Hölle machen wird. Aber er hat nur jelacht. Hier spukt’s nicht, hat er jesagt, hier ist die Verjangenheit rausjefegt.
    Frau Köhnke: Sehen Sie ja, Sie hat man auch ausgefegt.
    Frau Menzinger: Der kann mir tausendmal rausschmeißen, Gretes Geist bleibt da. Sehn Se, da unten, det is der Kerl, mein Vermieter. Recht so, hupt nur, ihr Möbelleute. Hält den janzen Verkehr uff. Hallo, Sie da unten, Frau Schweickert, sind det Ihre Möbel? (Frau Schweickert hält um nicht geblendet zu werden, eine Hand über die Augen wie einen Schirm und winkt nach oben.) Na komm Se doch ruff, wir warten schon auf Sie. (Zu Frau Köhnke.) Det is nämlich Bekanntschaft von mein Mann seine Familie. Die Mutter hatte ’ne Drogerie. Haben aber nach’m Krieg den Kontakt verloren. Die war nämlich im Bötzowviertel, nich

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