Walpurgistag
Janze, selbst mit Rentnerermäßigung, und wat seh ick da im Haifischbecken: nur kleene Haie. Und ick war doch da hin, um die jroßen Exemplare zu betrachten. Jeh ick zu der Aufsicht und sag: »Ick bin hier wejen die Haie, und nu sind da nur so’ne kleenen, da kann ick ja gleich die Fische in der Delikatessenabteilung vom KaDeWe ankieken, und det völlig kostenlos.« Da sagt doch der Schnösel zu mir: »Die wachsen noch. Komm Se ma in zehn Jahre wieder.« – »Mein lieber Freund«, ha ick zu dem Typen jesagt, »wenn det jetze een Kompliment sein sollte, dann sollten Se ma noch ’n bisschen üben. Ick bin achtzig, in zehn Jahren haben mir die Würmer jefressen.« Da hat der Typ sich nur wegjedreht.
Frau Köhnke: Vielleicht war’s ihm ja peinlich.
Frau Menzinger: Naja, ick weeß ja nich. (Beugt sich über die Brüstung und zeigt nach links.) Kieken Se ma, wie die sich da unten aalen. Det war mir nüscht. Unsereins konnte det ooch nich früher. Sitzen den janzen Tach im Cafe und lassen die Jören uffm Kollwitzplatz alleene. Ne Affenschande. Aber der Kinderwagen konnt nich teuer jenuch sein.
Frau Köhnke: Die janz rechts kenn ick, det is ’n Aas, ’n richtjet Rabenaas. Von meine Schwiejertocher die Freundin deren Tochter is dette. Hat eenen Westler jeheiratet. Der is aber inzwischen abjemeldet bei die, war so eener aus Posemuckel, so’n richtjer Nassauer, von Tuten und Blasen keene Ahnung, aber die Nase janz oben. Naja,
nu macht se eenen uff bedürftig mit die Kinder und knöppt ihm Unterhalt ab, und nich zu knapp, denn der is’n Erbe. So wat jab’s früher nich. Wir mussten uns abrackern, und der Olle is ooch nich freiwillich wegjejangen. Den hat erst Freund Hein jeholt.
Frau Menzinger: Da war die Welt aber ooch noch jerechter. Allet in allem.
Frau Köhnke: Und man is nich ’n janzen Weg zur Halle über Stühle uff ’m Trottoir jestolpert.
Frau Menzinger: Naja, aber ständig mussteste die Läden und Ämter abklappern, det war ja nu ooch nich det Jelbe vom Ei.
Frau Köhnke: Die jute alte Zeit, wenn’s die nich jäbe. Denn hätten wa janischt zu plaudern. Ick bin noch janz ab von jestern. Die olle Schnalle aus der ersten, die säuft wat weg. So richtig jieprich.
Frau Menzinger: Mann, die aasen überhaupt rum mit die Pullen. Drei Flaschen Likör zu viert.
Frau Köhnke: Na, der Hermann, der hat auch janz anständich eenen abjebissen uff ’m Abend. Der war ja heftig anjetütert.
Frau Menzinger: So ’n abjebrochner Knilch. Aber da jeb ick meine Hand druff, det der nicht lange alleene in seine Buchte wohnt. Det is ja der reinste Hühnerhaufen hier. Denen kiekt ja die Bedürf tigkeit aus jeder Ritze.
Frau Köhnke: Hier jibt et schon echte Molleken-Doofs.
Frau Menzinger: Die meisten sind nich von hier. Dit merkste schon, wenn die nur’n Mund uffmachen. Allet Oben- und Unten-Leute. Obersachsen, Niedersachsen, Oberbayern, Niederbayern.
Frau Köhnke: Hat doch der Hermann neulich erzählt, det die janz Olle mal richtich ville Knete jehabt hat.
Frau Menzinger: Senta, die immer so uff Kommunistin macht?
Frau Köhnke: Jenau, die. Hermann hat erzählt, det er die so um 1988 mal mit ’nem richtig schicken Kostüm uff de Straße jesehen hat. Und da soll er se jefragt haben in seiner blöden Hermannart: »Willste uff ’n Strich?«, und die sacht ihm: »Nee, zum ZK, meen Jeld vererben.«
Frau Menzinger: Für so dämlich hätt ick die nich jehalten. Woher hatte die denn die Knete?
Frau Köhnke: Ihr Alter war Philosophieprofessor. Oder wat man damals so für Philosophie hielt.
Frau Menzinger: Na, da war der wahrscheinlich von Berufs wejen für die Exprorprie der Proprie oder wie det hieß.
Frau Köhnke: Ja, Besitz ist Sünde und Schande, sollten Se ma Ihrem alten Hausbesitzer sagen.
Frau Menzinger: Na, ma sehn, wat die neue Olle in unser Wohinheim mitbringt. Die is ja aus ’m Bötzowviertel. Da wird se bestimmt anjeben wie ’ne Lore Affen. Die tragen doch da unten die Nase im Himmel, dabei leben wir uff’m Berg und die unten im Osten. Naja, nu musse hier zu uns Bergproletarier.
Frau Köhnke: Immer noch besser Betreutes Wohnen in der Kollwitzstraße als ins Altersheim nach Lichtenberg.
Frau Menzinger: Die soll ja ooch inne Volksbildung jewesen sein. Hat Hermann behauptet.
Frau Köhnke: Hermann! Det war bestimmt ooch so ’n Achtgroschenjunge, dem trau ick nich über ’n Weg. Wat hat der jesagt, wat er zu DDR-Zeiten war?
Frau Menzinger: Außenhandel.
Frau Köhnke: Außenhandel, na, ick gloob’s
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