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Walpurgistag

Walpurgistag

Titel: Walpurgistag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annett Groeschner
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nich. So viel Außenhandel jab’s jar nich, wie’s Außenhändler jab. Det war eener von ’ner Schwarzen Hand, hundert Pro. Wir müssen ma ausbaldowern, wat der würklich jemacht hat. Eener aus meiner Familje arbeitet bei der Stasibehörde. Den lass ick ma kieken.
    Frau Menzinger : Ick will ja ehrlich jesagt mit der janzen Blase nischt zu tun haben.
    Frau Köhnke: Ah, da hinten kommt Liese anjewackelt. ( Schreit nach unten.) He, Liese. Wat jibt’s Neuet?
    Liese (von unten ): Na nüscht. Det Alte is ja noch nich alle.
    Frau Köhnke: Wo willste ’n hin? Du rennst, als wärste vom Affen jebissen.
    Liese ( von unten ): Ick muss beim Doktor antanzen, Hans abhol’n. Frau Köhnke: Wat Schlümmet?
    Liese (von unten ): Der vakohlt mir mit seine Wehwehchen. Da is jarnüscht. Der wird ’n Methusalem und bringt mir demnächst
ins Grab. Jetzte kann er noch nich ma die Kollwitz alleene runter bis nach Hause loofen. Ick koof dem bald so ’n Schiebeporsche, denn kanner alleene abwackeln. Na jut, ick muss.
    (Liese verschwindet um die Ecke in die Knaackstraße.)
    Frau Köhnke: Mann, Liese is aber uffjejangen wie ’n Hefekloß. Früher war die so ’ne uffjemotzte Bohnenstange.
    Frau Menzinger: Kieken Se ma da unten, det Backpfeifenjesicht, der grad an der Nummer 56 vorbeischlurft. Kenn Se den noch?
    Frau Köhnke: Ach, der Lackaffe. Jeht ooch schon uff Krücken. Mit dem war ick doch schon beim Babyschubsen im Prater 1943, kurz vorm totalen Krieg. Den ham se nich einjezogen, weil er angeblich ’n Knacks im Kopp hatte. Hatte der ooch, aba nich so.
    Frau Menzinger: War der nich so ’n Ladenschwengel bei die olle Drogistin Putzner uff der Prenzlauer?
    Frau Köhnke: Ja, bis kurz nach ’m Krieg, dann hat er bei de AEG in Oberschweineöde anjefangen. Der machte dann in Kabeln, weil die olle Putzner ihm den Laden nich übaschreiben wollte.
    Frau Menzinger ( erhebt sich von der Brüstung und drückt das Kreuz gerade): Wer nie bei Siemens-Schuckert war, /bei AEG und Borsig, /der kennt des Lebens Jammer nicht...
    Frau Köhnke ( gelangweilt) : Jaja, kennwa. Aber ’ne doofe Frau hatte der. So eene, die aus Köpenick kam und für die Prenzlauer Berg ’ne Zumutung war. Die war janz stolz, das se Hausfrau is. Ick weeß nich, von wat die sich die Klamotten aus ’m Exquisit leisten konnte. Von die paar Kröten von ihr ’m Jötterjatten sicherlich nich.
    Frau Menzinger: Na, hat vielleicht Westjeld umjerubelt. Und kenn Se den da hinten, der hinter seiner Ollen hertrabt, der Typ da mit ’m Katzenstreu?
    Frau Köhnke: Nee, noch nie jesehn.
    Frau Menzinger: Gloob ick nich, wenn Se aus ’m Prenzlauer Berg kommen, müssen Se den kennen. Don Juan vom Hügel ham wa den immer jenannt. Det war ja so ’n janz Jewiefter. Immer wenn er wieder eene rumjekriegt hatte, denn hat er ’ne Kerbe an ’n Türrahmen jemacht. Hat er jedenfalls immer mit anjejeben.

    Frau Köhnke: Und jetzte läuft er wie so ’n kleener Trottel mit ’ner Tüte Katzenstreu hinter seiner Ollen her.
    Frau Menzinger: Ja, die Letzte, die ihn aus Mitleid behalten hat, als die anderen nicht mehr wollten. Und da wird er jetzt durch de Mangel jedreht!
    Frau Köhnke: Aber man freut sich ja, wenn man überhaupt noch Gleichaltrige trifft.
    Frau Menzinger: Uns brauchen se zum Vorzeigen, wenn mal wieder jemand sagt, es jibt keene Alten in der Kollwitzstraße. Denn zeigen se unser Haus und sagen: Hundert Prozent Olle, und es werden nicht weniger. Wenn einer stirbt, wartet schon der Nächste mit Sack und Pack.
    Frau Köhnke: Ick gloob, ick zieh in ’n Wedding. Der is nich so uffjeblasen.
    Frau Menzinger: Nee, in die olle Plumpe kriegt mir nüscht. So weit kommt’s noch. Det is meens hier.
    Frau Köhnke: Kieken Se ma, da kommt een Möbelwagen.
    Frau Menzinger: Det wird se sein.
    (Unten fangen vier Möbelträger an, Möbel und Kisten auf den Gehweg zu stellen.)
    Frau Menzinger: Sie da unten, wo is ’n die Frau zum Hab und Jut? Wir warten schon.
    Möbelträger (von unten ): Die ist noch in ihrer alten Wohnung, das ist noch nicht die letzte Fuhre.
    Frau Köhnke: Die macht’s aber spannend.
    Frau Menzinger: Kann man so sagen.

11.10 Uhr
Annja Kobe bewegt sich am Arm von Liebig in Richtung Georgenfriedhof
    Aus der Küche höre ich Liebig rufen: »Jetzt hör mal auf mit deiner Kosmetik und zieh dich an, ich muss Blix in die Erde orgeln. Der war ein pünktlicher Trinker.« Von wegen Kosmetik! Ich suche den geeignetsten Platz für Papa, der immer noch im Flur herumsteht. »Meinst du nicht,

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