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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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erheben und Vorschriften zu machen.
    WU hatte eine »Antenne« für die unverzichtbare und wachsende Rolle von Wissenschaft und Hochschulbildung bei der Verwirklichung seiner Vorstellung vom Sozialismus. Und er pflegte auch eine – allerdings oft selektive – Kommunikation mit Wissenschaftlern. Die Besuche Walter Ulbrichts an der Universität Rostock 1965, an der Bergakademie Freiberg 1966, an der TU Dresden 1966 und an der Friedrich-Schiller-Universität Jena 1968 waren keine bloßen Protokollveranstaltungen, sondern echte Beratungen. Sie zeigten sein persönliches Interesse an der Vorbereitung und Durchführung der Reform. Wissenschaft und Hochschulbildung waren für ihn notwendige Mittel zur Überwindung des wachsenden Rückstandes der DDR-Wirtschaft gegenüber dem Westen. Er war sich ziemlich klar darüber, dass sich systemübergreifend eine wissenschaftlich-technische Revolution vollzog, die gemeistert werden musste, wenn der reale Sozialismus den welthistorischen Wettbewerb gewinnen wollte. Ulbricht hörte allerdings zu sehr auf den wendigen Günter Mittag, für den die Hochschulen eher wissenschaftlich-technische Dienstleistungsunternehmen für die Industrie waren. Wer wen bei subjektivistischen Übertreibungen bei der Reform bestärkte, etwa bei den »Großforschungszentren«, der Vertragsbindung der Hochschulforschung, den »Pionier- und Spitzenleistungen«, der »marxistisch-leninistischen Organisationswissenschaft«, der Verdoppelung der Zahl der Absolventen usw. muss ich dahingestellt sein lassen: Ich weiß es nicht.
    Das Anliegen der Reform war in einem nur zwölf Seiten langen, mit relativ wenigen ideologischen Präludien versehenen Papier (»Prinzipien zur weiteren Entwicklung der Lehre und Forschung an den Hochschulen der Deutschen Demokratischen Republik«) im Oktober 1966 dargelegt worden. Hinzu kam ein Entwurf »Die Leitung der Hochschulen«, ferner Entwürfe für drei Rechtsvorschriften, die Verordnung über die Berufung und die Stellung der Hochschullehrer, die Verordnung über die wissenschaftlichen Mitarbeiter und die Verordnung über die akademischen Grade, die 1968 in Kraft traten. Die Dokumente waren im Ministerium mit Hilfe vieler Wissenschaftler ausgearbeitet worden. Sie wurden einer zentral gesteuerten, aber doch breiten und konstruktiv-kritischen Debatte an den Hochschulen, bei deren Partnern und in gesellschaftlichen Organisationen ausgesetzt und von der IV. Hochschulkonferenz im Februar 1967 bestätigt. Über 600 Änderungsvorschläge wurden gemacht, von denen viele eingearbeitet wurden. Auch der Zentralrat der FDJ machte ausführliche Vorschläge. Die Ausarbeitung der Konzeption für die Reform und ihrer Details erfolgte in einem demokratischen Prozess. Ich kann das beurteilen, denn mir oblag die Aufgabe, auf der Hochschulkonferenz über Verlauf und Ergebnis der Debatte über die Verordnungsentwürfe zu berichten.
    Auch aus meiner heutigen Sicht handelte es sich bei der Ulbrichtschen Hochschulreform um den Versuch, Universitäten und Hochschulen an Haupt und Gliedern umzugestalten, damit sie objektiven Erfordernissen von Wissenschaft, Ökonomie und Gesellschaft entsprachen. In den »Prinzipien« hieß es: »Das Wesen der notwendigen Veränderungen an den Hochschulen der DDR besteht darin, Lehre und Forschung entsprechend der prognostischen Einschätzung der Bedürfnisse der Volkswirtschaft, der Wissenschaften und der gesellschaftlichen Entwicklung so zu konzentrieren und zu profilieren, dass ein wissenschaftlicher Vorlauf geschaffen wird, produktiv zu nutzende Forschungsergebnisse schneller zur Verfügung stehen und sozialistische Kader ausgebildet werden, die über breite wissenschaftliche Grundlagenkenntnisse verfügen und schöpferisch und parteilich für die sozialistische Gesellschaft arbeiten. Das dient zugleich der weiteren Entwicklung der sozialistischen Demokratie.«
    Die Hochschulreform war auch eine Reaktion auf die kritische 68er Studentenbewegung im Westen. In der Zeit des Protestes gegen den dortigen »Mief aus tausend Jahren unter den Talaren« forderte Ulbricht die FDJ-Studenten auf, in der Hochschulreform der DDR kräftig mitzumischen.
    Erwähnenswert ist, dass der Staatsrat eine Zeitlang bei der Hochschulreform Regie führte. Das entsprach dem Staatsverständnis Walter Ulbrichts und seinem Bestreben, neben dem Parteiapparat in Gestalt des Staatsrats, dessen Vorsitzender er war, eine eigenständige zweite Machtbasis zu schaffen. Der Staatsrat beriet unter seinem

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