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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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besonders stark gewesen, das hatte sich auch im Widerstand gegen die Nazis gezeigt. Negativ: Man spürte vornehmlich in den Westsektoren die Aversion der Westalliierten gegen große politische Organisation. Auch bei den anderen Parteien und den Religionsgemeinschaften existierte, zunächst vage formuliert, aber doch erkennbar, der Wunsch, eigene weltanschaulich oder religiös gebundene Verbände zu schaffen. Doch die Erkenntnis wurde immer stärker, vor allem bei den jungen Leuten selber, dass nach der Vergangenheit und angesichts der Probleme das Trennende, das Gegensätzliche weniger wichtig war als die gemeinsamen Nöte, das gemeinsame Interesse und die verbindenden Erwartungen, die gleichen Hoffnungen.
    Der letzte entscheidende Anstoß erfolgte am 26. Februar 1946. Im Sitzungssaal des Berliner Magistrats in der Parochialstraße traf sich der Zentrale Jugendausschuss der Sowjetischen Zone mit Freunden aus Berlin. Wir beschlossen, einen offiziellen Antrag an die SMAD zu richten, dass sie eine einheitliche Jugendorganisation zuließe, und diskutierten das Gründungsdokument. Es wurde dann unterschrieben von Erich Honecker, Edith Baumann, Theo Wiechert, Rudi Mießner, Paul Verner, Gerhard Rolack, Heinz Külkens, Domvikar Lange und Pfarrer Hanisch. Auch ich setzte meine Unterschrift unter das Dokument. Das war die eigentliche Gründung der Freien Deutschen Jugend in der sowjetisch besetzten Zone, die dann am 7. März von der SMAD zugelassen wurde. Ich bin der Einzige aus diesem Kreis, der übrig geblieben ist.
    Du hast 1950 das Blauhemd gegen die Uniform getauscht. Nicht ganz freiwillig, wie man sagt.
    Das stimmt. Ich war keineswegs pazifistisch geprägt, trug auch als Frontbeauftragter des NKFD eine Waffe und habe an der Front geschossen. Aber erstens hielt ich bewaffnete Streitkräfte in Deutschland – wenige Jahre nach dem Kriege – für anmaßend und überflüssig, nicht zu reden von den Kosten, schließlich mussten die Trümmer des letzten Krieges erst noch beseitigt werden. Die Sowjetunion würde den Kalten Kriegern auf der Gegenseite schon ausreichend Paroli bieten, meinte ich. Zweitens aber sah ich meine Zukunft in der Politik: Ich wollte weiterhin mit jungen Arbeitern, Schülern und Studenten arbeiten. Walter Ulbricht redete mit mir, sprach von der Notwendigkeit, politische Errungenschaften auch militärisch schützen zu müssen. Heinz Hoffmann kam und agitierte mich, Erich Honecker nicht weniger. Selbst Oberst Sergej Tulpanow redete mit mir in dieser Sache noch kurz vor seiner Versetzung an die Leningrader Marineakademie. Sie bissen alle auf Granit bei mir. Erst Wilhelm Pieck gelang es, mich umzustimmen. Am 1. November 1950 trat ich in die Bewaffneten Organe ein und war zwei Jahre lang Generalinspekteur und Leiter der Volkspolizei-Luft (VP-Luft), die anfänglich Verwaltung der Aeroklubs hieß.
    Allerdings räume ich ein, dass Präsident Pieck wirklich nur den letzten Anstoß gab. Ich war Ende 1949 einige Wochen lang in der Bundesrepublik unterwegs und versuchte mit westdeutschen Jugendorganisationen – den Falken, den Jungsozialisten, katholischen und protestantischen Jugendverbänden – zu reden. Der Kalte Krieg eskalierte, die Konfrontation nahm zu, unsere Land war vom Westen durch die Bildung der Bundesrepublik gespalten worden – die DDR betrachtete sich als Povisorium, als Interregnum, wir kämpften unverändert für die Einheit Deutschlands. Die intensiven Gesprächen zur Herstellung einer Aktionsgemeinschaft zwischen jungen Leuten in West und Ost liefen ins Leere, wir fanden keinen gemeinsamen Nenner. Mir wurde klar, dass wir dort keine Verbündeten finden würden, also galt das unmarxistische Prinzip: »Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.« Und das zweite Moment, weshalb ich dem Vorschlag Piecks und der anderen, die mich zu überzeugen versucht hatten, folgte, war der Krieg in Korea, der mir zeigte, wie gefährlich die Lage inzwischen war.
    Heinz, du kennst von uns allen Walter am besten. Traust du ihm zu, dass er eine internationale Pressekonferenz nutzt, um der eigenen Bevölkerung und der Welt die Unwahrheit zu sagen, wie das inzwischen von den meisten Medien suggeriert wird?
    Ausgeschlossen. Er war ein strategischer Denker. Kein Schwätzer. Ich kenne die Situation von damals, also 1961, genau. Meine militärischen Funktionen und meine Mitgliedschaft im Nationalen Verteidigungsrat sorgten dafür, dass Grundsätzliches an mir nicht vorbeiging. In der politischen und militärischen Führung

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