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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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analog den christlichen Geboten – den Wertekanon von atheistischen Sozialisten darstellten und auch für Jugendliche in der FDJ moralisch-ethische Richtschnur sein sollte.
    Es gab bis dahin und auch in der Folgezeit wiederholt persönliche Begegnungen mit Walter Ulbricht, die mir das Bild eines zielstrebig und strategisch handelnden Politikers vermittelten.
    Als nach der 2. Parteikonferenz 1952 die fünf Länder aufgelöst wurden und 15 Bezirke an ihre Stelle traten, saß ich mehrmals am Tisch von Walter Ulbricht. Bei den Beratungen ging es nicht zuletzt um Kaderfragen, denn die neuen Strukturen verlangten dreimal mehr Personal. Zwischen dem FDJ-Vorsitzenden Erich Honecker und mir als Landesvorsitzendem in Mecklenburg gab es keine Übereinstimmung, was die Besetzung der Sekretariate in den neuen Bezirksleitungen betraf. Walter Ulbricht vermittelte und glich aus.
    Danach ging ich nach Moskau zum Studium und kehrte erst im August 1953 zurück. Unser Streit damals war vergessen, ich wurde als Sekretär des Zentralrats und als 1. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung Berlin gewählt. Auseinandersetzungen gab es erst wieder 1954, als das 2. Deutschlandtreffen vorbereitet wurde. Friedrich Ebert, Oberbürgermeister von Groß-Berlin, wie es damals offiziell hieß, und Mitglied des Politbüros, folgte den Beschlüssen des Politbüros und den Weisungen Walter Ulbrichts. Der FDJ-Vorsitzende Erich Honecker interpretierte manchen Beschluss anders. Und um nicht persönlich anzuecken, wenn er widersprechen wollte, schickte er den 1. Sekretär der FDJ-Bezirksleitung vor. Ich musste dann dieses und jenes mit Friedrich Ebert »klären«. Wenn dies nicht in seinem Sinne gelang, kritisierte er mich: Ich hätte als Sekretär des Zentralrats die Beschlüsse der Führung des Jugendverbandes in Berlin durchzusetzen, ich sei nicht der Vertreter von Berliner Interessen in der Führung des Jugendverbandes.
    Ich erinnere mich lebhaft an Veranstaltungen in den Jahren 1954/55 mit der Berliner Jugend, die Walter Ulbricht in der Sporthalle an der Stalinallee abhielt. Daran nahmen mehr als dreitausend Mädchen und Jungen teil, die dem Ersten Sekretär und Stellvertreter des Ministerpräsidenten Fragen stellten. Es waren Rechenschaftslegungen darüber, wie das Gesetz über Jugend und Sport verwirklicht wurde. Für Ulbricht entsprachen solche Zusammenkünfte seinem Verständnis von sozialistischer Demokratie. Jene, die das in Abrede stellen, sollten sich fragen: Gab es jemals in der Bundesrepublik ein vergleichbares Gesetz? Und: Hat Adenauer auch nur einmal vor jungen Westdeutschen seine Politik vertreten und Rechenschaft abgelegt?
    Und ich entsinne mich des Winters 1956/57. Der Jugendausschuss der Berliner Stadtverordnetenversammlung hatte nach manchem Streit mit der Administration durchgesetzt, dass Spritzeisbahnen im Stadtgebiet angelegt wurden. Als Bilder in den Zeitungen erschienen, die schlittschuhlaufende Jugendliche zeigten, erreichte mich ein Anruf aus dem Büro Ulbricht. Der Genosse Walter Ulbricht möchte zum Schlittschuhlaufen mit der Jugend eingeladen werden. Wie bitte? Nun, wir baten ihn zur Spritzbahn am S-Bahnhof Treptower Park. Und der Parteichef, bereits jenseits der 60, erschien mit Schlittschuhen und drehte Achten und lief Kurven. Und die Leute auf dem Eis schauten nicht aus der Distanz zu, sondern nutzten die Gelegenheit, sich auch mit ihm zu unterhalten.
    Bei der Erarbeitung des Berichts des ZK an den V. Parteitag der SED 1958, den Ulbricht vor dem Plenum abgeben sollte, wurde ich gebeten, den Abschnitt über Jugend und Sport zu redigieren. Ich nehme an, dass ich diese Prüfung bestanden habe, denn ich wurde als Kandidat in das Zentralkomitee der SED gewählt.
    Im Juli 1963 wurde Kurt Turba auf Vorschlag Walter Ulbrichts als Vorsitzender der Jugendkommission beim Politbüro berufen. Wir beide kannten uns nicht nur gut, wir waren miteinander befreundet. Turba, ein Jahr älter als ich, hatte in Jena Geschichte studiert und leitete seit zehn Jahren die Studentenzeitschrift forum , die unter dem Dach des FDJ-Verlages » Junge Welt « erschien.
    Ulbricht versuchte erneut, die Quadratur des Kreises zu beschreiben und den Grundwiderspruch seiner Jugendpolitik aufzulösen, nämlich den zwischen dem Anspruch, dass die FDJ einerseits Massenorganisation und andererseits Helfer und Kampfreserve der SED sein sollte. Im Auftrag Ulbrichts entwarf Turba gemeinsam mit Heinz Nahke, seinem Nachfolger als Chefredakteur des forum , mit Harald Wessel,

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