Walter Ulbricht (German Edition)
Zeit politisch gekoppelt an den kulturellen Einfluss der USA, genannt Kulturimperialismus. Eisler stellte die Musik in einen historischen Kontext, ordnete sie in die Geschichte des »schwarzen Amerika« ein und verband das mit eigenen Erlebnissen während seiner Emigration in die USA.
Ulbricht hatte zunehmend politische Bauchschmerzen mit dieser Veranstaltungsreihe, er nannte sie schließlich »Eselswiese«. Die Foren wurden eingestellt. Der Blick der FDJ sollte sich stärker auf die jungen Künstlerinnen und Künstler richten. Im Juni 1956 wurde dazu eine Konferenz in Karl-Marx-Stadt durchgeführt. Die Berliner Schriftsteller Heinz Bieler, Jens Gerlach, Heinz Kahlau und Manfred Streubel hatten ihr Auftreten gut vorbereitet. Ihre vier Diskussionsreden klangen wie ein gemeinsames Referat, in dem sie den Jugendverband kritisierten, weil der ihre Interessen nicht ausreichend vertrat. Konrad Wolf, Mitglied des Zentralrats und nachmals Präsident der Akademie der Künste, reagierte darauf in seinem Schlusswort. Von Karl-Marx-Stadt fuhren wir sofort nach Rostock zur 13. Tagung des Zentralrats. Dort erklärte ich, wir würden als Jugendfunktionäre einen großen Fehler begehen, wenn wir uns als Gegner und nicht als Partner der jungen Kulturschaffenden verstünden. Ich ahnte nicht, welche Rolle diese Feststellung zwei Jahre später spielen sollte.
1957 erfolgte eine Neuausrichtung in der Jugendpolitik der Partei. Ulbricht selbst strebte an, was als Widerspruch nicht auflösbar schien. Er orientierte einerseits unverändert auf die Gewinnung eines Masseneinflusses durch die FDJ, also auf wachsende Mitgliederzahlen. Und andererseits wünschte er den politischen Charakter auszuprägen. Die FDJ sollte »sozialistischer Jugendverband« werden, weshalb die politisch-ideologische Arbeit ausgeweitet werden sollte. Das war erkennbar ein Spagat.
Im Hintergrund liefen scharfe Auseinandersetzungen zwischen Ulbricht und Schirdewan um Kurs und Macht in der Partei. Ulbricht setzte sich durch, im Februar 1958 wurde Schirdewan aus dem ZK der SED ausgeschlossen und aller Funktionen enthoben. Während es bei den Auseinandersetzungen etwa mit Anton Ackermann zu Beginn der 50er Jahre um unterschiedliche Positionen zur Entwicklung des Sozialismus in Deutschland ging, war der Konflikt zwischen Schirdewan und Ulbricht persönlicher Natur, der sich allenfalls als ein Streit um die strategische Orientierung tarnte. Er wurde im Vorfeld des V. Parteitages ausgetragen, und nachdem er in der Partei entschieden war, setzte er sich fort in der Führung des Jugendverbandes, denn Schirdewan war bis dahin als ZK-Sekretär auch für die FDJ verantwortlich.
Eine Abrechnung mit der falschen Orientierung Karl Schirdewans in der Jugendpolitik erfolgte im Bericht über die Tätigkeit des Sekretariats und des Büros des Zentralrats. Darin wurde nachgewiesen, dass das Wirken Schirdewans schädlich gewesen sei für die FDJ. Die Tagesordnung lautete zwar »Ergreift die Waffen der Kultur!«, aber Kulturveranstaltungen wie die Jugendforen oder Freizeitvergnügen wie Camping galten als unpolitisch. Die Autoren des Berichtes erinnerten sich des Kongresses junger Künstler in Karl-Marx-Stadt und der nachfolgenden Zentralratstagung. Und dass ich die Position von Gerlach, Kahlau, Bieler und Streubel unterstützt hatte – so überzogen sie vielleicht im Einzelnen auch war. Aber sie war prinzipiell richtig, weil sie sich unausgesprochen gegen die nunmehr kritisierte Schirdewan-Linie gewandt hatten. So wurde das zwar nicht formuliert, aber genau so war es gemeint. Nunmehr rückte ich also in den Fokus als vermeintlicher Schirdewan-Mann. Die Auseinandersetzung mit mir erfolgte jedoch nicht im Plenum des Zentralrats, sondern in der SED-Parteigruppe. Letztlich ging es um den Verbleib in meiner Funktion. Dass ich nicht wie Schirdewan in die politische Wüste geschickt wurde, verdanke ich Alfred Neumann, seit 1953 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin und nunmehr ZK-Sekretär, sowie Walter Ulbricht, der Neumanns Personalpolitik billigte.
Der V. Parteitag 1958 beendete die Auseinandersetzungen in der SED-Führung, die seit 1953 die Partei beschäftigt hatten. Neben Walter Ulbricht, der sich und seine Linie durchgesetzt hatte, war Organisations- und Kadersekretär Alfred Neumann der neue wichtige Mann. Nikita S. Chruschtschow, Ehrengast im Präsidium des Parteitages, stärkte in seiner Rede Ulbricht. Dieser präsentierte die »Zehn Gebote der sozialistischen Moral«, die –
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