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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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nur daran gedacht, ein Treffen mit dem Staats- und Parteichef zu arrangieren. Ulbricht half mir über meine Verblüffung hinweg.
    Man müsse alle Kräfte in der BRD, die für Entspannung eintreten, unterstützen, erklärte er. Die DDR müsse Strauß und von Thadden bekämpfen und Brandts Ostpolitik fördern. Man müsse die westdeutsche Bevölkerung für eine gemeinsame Politik des demokratischen Fortschritts gewinnen. Das wolle er mit den Jungsozialisten besprechen, denn die seien sehr aktiv.
    Ich unterstützte seine Überlegung. Allerdings schlug er vor, die Begegnung weder im Staatsrat noch im Zentralkomitee zu organisieren, sondern sie im Gästehaus an der Spree stattfinden lassen. Wir sollten die Jusos nicht mit einer Einladung in das Haus des ZK in politische Schwierigkeiten bringen.
    Karsten Voigt bekam dennoch Probleme mit seinen Genossen. Der Parteivorstand der SPD und auch Vertreter des Bundesvorstandes der Jungsozialisten übten ungewöhnlichen Druck auf ihn aus, die Einladung Ulbrichts auszuschlagen. Als alle Argumente nicht fruchteten, meinte man in der Bonner Baracke 1 , die Delegation könne nicht zu Ulbricht gehen, weil das Treffen am 17. Juni stattfinden solle.
    Voigt hatte jedoch Mut und setzte sich darüber hinweg. Er war der Meinung, wenn man die neue Ostpolitik der SPD wolle, dann dürfe man die Einladung des Staatsoberhaupts der DDR nicht ausschlagen.
    Bevor das Treffen jedoch begann, gab es auf unserer Seite noch eine Panne. Günther Jahn, der 1. Sekretär der FDJ, begrüßte Walter Ulbricht am Eingang und fuhr mit ihm im Fahrstuhl. Der blieb stecken. Ulbricht nahm es gelassen, wie Günther später erzählte, und unterhielt sich mit ihm über Mikroelektronik. Das Treffen nach ihrer Befreiung dauerte etwas mehr als zwei Stunden. Meine Eindrücke waren natürlich andere als die von Karsten Voigt. Ulbricht nahm ernst, was in der Verfassung von 1968 verankert war: Die DDR ist der sozialistische Staat deutscher Nation. Für ihn war die nationale Frage nicht abgeschlossen. Er warb für die Politik der DDR auch bei Sozialdemokraten. Er hatte über die Absichten der SPD mit der neuen Ostpolitik keine Illusionen. Ihm war aber alles wichtig, was dem Frieden diente. Das war eine Lehre aus dem Leben des 77-Jährigen.
    Du hast den Übergang von Ulbricht zu Honecker unmittelbar erlebt. Heutzutage deuten manche, auch einige Autoren in diesem Buch, dies als eine Intrige einer Gruppe um Erich Honecker. Kann man sich die Sache wirklich so einfach machen?
    Für mich kam dieser Übergang nicht überraschend. Ende der 60er Jahre mehrten sich zusehends die Probleme und Schwierigkeiten bei der wirtschaftlichen Entwicklung der DDR. Auf der 14. ZK-Tagung im Dezember 1970 ergab die Analyse, dass es in der Volkswirtschaft zu Disproportionen gekommen sei und mit Abschluss des Fünfjahrplanes erhebliche Rückstände und Schwierigkeiten in der Versorgung mit Rohstoffen und anderen Materialien aufgetreten waren. Zugleich mehrte sich die Kritik aus der Bevölkerung an der Versorgung und im sozialen Bereich. Diese Erscheinungen wurzelten in der Tatsache, dass die Wirkung ökonomischer Gesetze des Sozialismus unterschätzt oder falsch beurteilt worden war. Öffentlich unausgesprochen blieb, dass bestimmte kühne Zielstellungen von Walter Ulbricht an der Realität gescheitert waren, dass das Neue Ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft, welches eindeutig die Handschrift von Walter Ulbricht trug, nach sowjetischen Interventionen abgebrochen wurde und dass die deutschlandpolitische Konzeption Ulbrichts nicht mehr die Unterstützung der sowjetischen Führung hatte. Es handelte sich also um mehr als lediglich um eine Intrige einer Gruppe. Es ging um neue Herausforderungen, um die Lösung zahlreicher komplizierter Entwicklungsprobleme und um eine Kurskorrektur, die viel Kraft erforderten und für einen 78-Jährigen eine sehr hohe Hürde darstellten. Die von Ulbricht im ZK vorgetragene Bitte, ihn von seinen Ämtern zu entbinden und die Verantwortung in jüngere Hände zu legen, habe ich deshalb vollauf unterstützt; wie ich überhaupt dem Verbleib in Funktionen bis ins höchste Alter kritisch gegenüberstand. Ich fand den Wechsel notwendig, folgerichtig und rechtzeitig. Wie das im Einzelnen vor sich ging, steht auf einem anderen Blatt. Da habe ich durchaus meine kritischen Anmerkungen.
    Eine Frage, die ich allen Gesprächspartnern stelle: Wenn du zurückblickst und Walter Ulbricht in die an Konflikten reiche

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