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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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Maschinerie – konnte aus einer Tonne Stahl gewonnen werden? Dies verlangte nach einem grundlegenden wirtschaftlichen Wandel, der Veränderung des Reproduktionstyps, dem Übergang zur intensiv erweiterten Reproduktion. Die Modernisierung vorhandener Betriebe aber konnte natürlich am besten innen und nicht von außen geleitet werden. Und zwar in Abhängigkeit von den selbst erwirtschafteten Mitteln.
    Die sowjetische Führung aber blieb der Idee extensiven Wirtschaftswachstums verhaftet. Das erklärte auch die unrealistischen Ziele des wirtschaftlichen Wettbewerbs mit den USA, wie sie der XXII. Parteitag der KPdSU im Oktober 1961 beschloss.
    Walter Ulbricht nahm den Artikel Libermans sofort zum Anlass, die Akademie für Gesellschaftswissenschaften zu beauftragen, den ähnlichen Problemen in der DDR-Wirtschaft nachzugehen. Der Auftrag landete in unserem Institut Politische Ökonomie. Unser Lehrstuhlleiter und wir vier Fachrichtungsleiter verfassten nach ausführlichen Gesprächen mit zahlreichen Wirtschaftsfunktionären und Betriebsdirektoren einen Artikel, der unter dem Titel »Prämien für moderne und für veraltete Technik« am 15. November 1962 im Neuen Deutschland erschien.
    Natürlich konnte nach dem Verständnis Walter Ulbrichts eine so wichtige Sache wie das NÖS nicht in der Verantwortung eines wissenschaftlichen Instituts aus der Taufe gehoben werden. Deshalb wurde im Vorspann zu unserem Artikel angekündigt, dass im Dezember 1962 eine Wirtschaftskonferenz über eine Wirtschaftsreform stattfinden werde, für deren Vorbereitung die Staatliche Plankommission und das Staatssekretariat für Hochschulwesen verantwortlich seien. Zentralkomitee und Regierung übernahmen die weitere Ausgestaltung des NÖS.
    Die Eigenerwirtschaftung der Mittel für die erweiterte Reproduktion durch die Betriebe und Kombinate sollte eine gesamtwirtschaftliche Steuerung nicht ausschließen. Der Staat würde durch differenzierte langfristige Normative der Gewinnabführung und durch Investitionen eine gesamtwirtschaftliche Strukturpolitik gestalten. Dazu konnten jedoch keine praktischen Erfahrungen gewonnen werden, weil es keine Eigenerwirtschaftung solcher Art gab. Jedes Jahr wurden den Betrieben stets aufs Neue Planaufgaben erteilt und Ressourcen zugeteilt.
    Das Neue Ökonomische System scheiterte in seiner zentralen Idee aus politischen Gründen. Es hätte bedeutet, dass nicht – wie bislang üblich – 80 Prozent der Investitionen in der Verfügungsmacht des Staates und 20 Prozent in der der Betriebe gelegen hätten, sondern dass dieses Verhältnis hätte umgekehrt werden müssen. Aber eine solch starke Eigenmacht der Betriebe widersprach der zentralistischen Struktur des politischen Systems.
    Ob Walter Ulbricht dieses System hätte überwinden können und ob er dies überhaupt wollte, ist nicht bekannt. Sein Verhalten auf dem 11. ZK-Plenum im Dezember 1965, das eine Verschärfung der zentralistischen Elemente nicht nur im Kulturbereich zur Folge hatte, lässt dies nicht vermuten.
    In jedem Falle bleiben die Ideen des NÖS ein wichtiges Rüstzeug bei den Überlegungen für ein Wirtschaftsmodell jenseits des Kapitalismus.
    1 In diesem Zusammenhang halte ich einen Hinweis auf die Verwendung der Worte »Sozialismus« und »sozialistisch« für angebracht. Hitler und seine faschistischen Horden heißen im bundesdeutschen Sprachgebrauch Sozialisten (ohne Anführungszeichen). Walter Ulbricht, der den Namen »Sozialist« verdiente, nennen sie hingegen einen »Stalinisten«. Das politische System des Nazireiches nennen sie mit dem von den Faschisten selbst gewählten Eigennamen »Nationalsozialismus«. Und sie schämen sich nicht, und ignorieren, dass sie die Einzigen in der Welt sind, die den deutschen Faschismus »Nationalsozialismus« nennen. Dem politischen System der DDR und der anderen sozialistischen Staaten wurde der von ihnen gewählte Eigenname nicht zugebilligt. Nicht »Sozialismus« und »sozialistisch« werden sie genannt, sondern »Stalinismus« und »stalinistisch«. Der für die Periode nach dem XX . Parteitag der KP d SU 1956 übliche Begriff »Entstalinisierung« – was nicht nur Umbenennung von Ortschaften und Straßen bedeutete – ist hierzulande unüblich. Über die sozialistischen Länder soll der Schatten der Stalinschen Verbrechen gebreitet werden. In der DDR habe es Schlechtes und Gutes gegeben, »aber strukturell« sei sie stalinistisch gewesen. Die Absage an den Stalinismus gehörte zum Grundkonsens der PDS ,

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