Walzer der Liebe
sie ein. Bei seinen Worten errötete Louisa und ballte die Fäuste. Ich hielt den Atem an und wurde gewahr, dass Mr. Carlyle und ich nicht die Einzigen waren, die Louisa und den Earl beobachteten. Mehrere andere Gäste hatten sich neugierig zu ihnen umgedreht, darunter auch Mrs. Boothby-Locke.
Lord Bryce hielt den Blick unverwandt auf Louisa gerichtet, bis sie sich schließlich nach, wie es schien, einer Ewigkeit rasch entfernte. Ich atmete erst wieder tief durch, als sie den Raum verließ.
„Ja, sie war immer schwierig", raunte Mr. Carlyle mir ins Ohr. „Ich nehme an, sie ist auf dem besten Wege, sich unmöglich zu machen. Eines Tages wird es einen Aufruhr von wahrhaft bombastischen Ausmaßen geben. Ich hoffe, dass Sie dann, wenn das der Fall ist, nicht in der Nähe sind."
„Das hoffe auch ich", platzte ich unbedacht heraus.
„Haben Sie vor, längere Zeit bei den Langleys zu bleiben?"
„Nein, nur für diese Saison. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, Anfang Juli nach Haus zu fahren. Dann habe ich die Gastfreundschaft meiner Verwandten wohl lange genug in Anspruch genommen."
„Ich denke, es wäre klug von Ihnen, wenn Sie heimkehren."
Ich fächelte mir hektisch Luft zu, um die Bestürzung darüber zu verbergen, dass Mr. Carlyle so etwas derart beiläufig hatte äußern können. Würde er mich nach meiner Abreise vermissen? Würde er je mit Wehmut an mich denken und an das, was hätte sein können?
Oder würde er mich derart gründlich vergessen, dass er sich in der nächsten Saison vielleicht nicht einmal mehr an meinen Namen erinnerte und ich nur noch die junge Frau war, für die er in ihrem Schlafzimmer einen Ball veranstaltet hatte?
Der Tanz war zu Ende, und mein Partner für den nächsten näherte sich. Mr. Carlyle stand auf. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Miss Ames", sagte er und verneigte sich.
Entschlossen, mich möglichst diskret zu benehmen, schaute ich ihm nicht hinterher. Ich bemühte mich im weiteren Verlauf des Abends, nicht nur gelöst, sondern auch im höchsten Maße heiter zu erscheinen.
Als ich nach dem Souper in den Ballsaal zurückkehrte, hörte ich zufällig Mr. Carlyle sich mit einem Gentleman unterhalten, den ich nicht kannte. Sie standen an der anderen Seite der Tür, die ich gerade passieren wollte, und hatten mir den Rücken zugewandt.
Ich hätte gewiss nicht gelauscht, wenn der Gentleman nicht aus gerechnet in diesem Moment geäußert hätte: „Ich habe soeben eine höchst faszinierende und zugleich unglaubliche Geschichte über dich vernommen, Strolch. Über dich und eine Miss Ames."
„Ach ja?"
„Ja, wirklich! Um Mitternacht allein in ihrem Schlafzimmer! War es wirklich nur Champagner, mit dem du sie beglückt hast? Unbesonnen, mein lieber Junge, sehr unbesonnen!"
„Findest du?"
„Jeder ist dieser Ansicht. Ich bin überrascht, dass Lord Moreston nicht darauf bestanden hat, dass du das Mädchen heiratest."
„Warum hätte er das tun sollen? Du kannst dich darauf verlassen, dass ich dafür Sorge getragen habe, der Schicklichkeit hinreichend Genüge zu tun. “
„Trotzdem meine ich, dass die Sache riskant war. Eines Tages wirst du dich in der Ehefalle wiederfinden. Warte nur ab!"
„Aber doch nicht ich! Durch Raffinesse und Kühnheit und vielleicht eine Spur von Unverschämtheit trägt man immer den Sieg davon."
Ich wartete nicht darauf, noch mehr zu hören, drehte mich um und kehrte blindlings in den Raum zurück, den ich soeben verlassen hatte. Es war der Salon, den man den Damen zur Verfügung gestellt hatte, damit sie sich zurückziehen konnten. Glücklicherweise war nur die Zofe anwesend. Ich ignorierte sie.
Während ich gegen heiße Tränen ankämpfte, fragte ich mich, was ich eigentlich erwartet hatte. Mr. Carlyle lag nichts an mir. Er war der berüchtigte Hugh Carlyle. Er wollte keine Gattin, erst recht nicht mich. Im Stillen schalt ich mich, eine dumme Gans zu sein, und hielt mir vor, mehr Vernunft haben zu müssen.
Ich verließ den Raum erst, als Louisa auf der Suche nach mir herankam. Glücklicherweise war sie so mit ihren Sorgen beschäftigt, dass sie meinen Kummer gar nicht bemerkte. Sie erzählte mir, sie habe die Kutsche angefordert. Rasch stimmte ich ihr zu, der Abend sei öde geworden. Derweil wir auf der Treppe auf den Wagen warteten, wechselten wir kaum ein Wort miteinander, und als wir dann, allein mit unseren Gedanken, im der Equipage saßen, hüllten wir uns vollends in Schweigen.
Nach der durch und durch scheußlichen Nacht
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