Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
Fletcher den Kopf. „Das frage ich mich dann auch. An uns ja wohl nicht.“
„Aber doch, Fletcher, das ist es. Der Inhalt ist nicht für das Volk bestimmt! Der zielt auf die Leute ab, die lesen können. Auf uns.“
„Tut mir leid, das verstehe ich nicht.“
Lucas wünschte, er wäre genauso ahnungslos. Doch dank Lord Frayne wusste er ziemlich sicher, um was es ging. Er sah so ein Flugblatt nämlich heute nicht zum ersten Mal.
„Erinnere dich doch! Du hast mir letztens von Gerüchten erzählt, die du mitbekommen hattest. Dass nämlich Regierungsmitglieder meinten, das gesamte Parlament dahingehend manipulieren zu können, dass schärfere Gesetze und höhere Steuern erlassen werden, zum Schaden besonders der unteren Bevölkerungsschichten.“
„Das Wort Schaden erwähnte ich, glaube ich, nicht, aber es ging in diese Richtung.“
„Gut. Und gibt es einen besseren Weg, das durchzusetzen, als die Drohung des Volkes, sich zu erheben? Gegen uns, die Reichen und Mächtigen und leider auch wenig Mitfühlenden.“
Fletcher riss die Augen auf. „Willst du sagen – nein, das ist lachhaft. Wer sollte das wollen? Aufruhr, Demonstranten! Die kämpfen, Lucas! Buddeln Pflastersteine aus, um damit zu werfen. Ich habe gehört, was vor gar nicht so vielen Jahren passiert ist. So leid es mir tut, ich kann’s mir nicht leisten, hier in meinem Stadthaus alle Scheiben zu ersetzen.“
„Deine Rechung für den Glaser mal außer Acht – das Land kann sich keinen Bürgeraufstand leisten. Die Königliche Garde auf die eigenen Bürger hetzen? Und möglicherweise habe ich den Befürwortern dieser Sache noch Schützenhilfe gegeben, als ich in meiner impulsiven Ansprache bei White’s vor dem Eintreten eines solchen Ereignisses gewarnt habe, falls man denen Hilfe verweigert, die unter den momentanen Umständen am meisten leiden. Ich habe ungewollt für diese Fraktion den Anwalt gespielt.“
Genauso ungewollt hatte er Lord Fraynes Aufmerksamkeit auf sich gezogen.
Tief in Nachdenken versunken, starrte Fletcher in sein Weinglas. Schließlich sagte er: „Lass sehen, ob ich dir folgen konnte. Du meinst also, jemand – sagen wir Lord Sidmouth oder einer seiner Anhänger – würde ganz bewusst Teile der Bürgerschaft dazu aufstacheln, sich gegen die Regierung aufzulehnen? Damit die Gesetze, die sowieso schon drückend sind, noch verschärft werden?“
„Ganz genau.“ Und leider Gottes wusste Lucas, dass er selbst, im Widerspruch zu seinen Prinzipien, kurz davor stand, sich diesem Bemühen anzuschließen.
„Ich wünschte, du hättest unrecht. Du weißt schon, wegen der Glaserrechnung. Also gut, da ich sehe, dass du entschlossen bist – zu was immer es sein mag –, wie kann ich dir helfen?“
Konnte er seinen Freund belügen? Wenn es darum ging, den Namen seines Vaters reinzuwaschen, ja. Vor allem, da er Fletcher vielleicht in Schwierigkeiten brachte, wenn er sich ihm anvertraute. Immerhin konnte man nicht tun, zu was er, Lucas, sich entschlossen hatte, ohne ein paar Gesetze freizügig auszulegen. „Ich will dich da nicht hineinbringen.“
„Herrgott, dafür ist es wohl ein bisschen zu spät, was? Ich bin dein Freund, da sollte ich an deinen Plänen teilhaben. Du würdest das doch umgekehrt auch wollen. Was kann ich also für dich tun?“
„Wäre es dir unangenehm, Lady Lydia weiterhin deine Aufmerksamkeit zu schenken?“
„Ah, falls sie noch mehr Flugblätter entdeckt?“
„Nein. Wahrscheinlich finden wir selbst jede Menge davon über ganz Piccadilly verteilt, wenn wir nur die Augen aufmachen.“
„Warum dann?“
Für die Wahrheit ist es nun zu spät, dachte Lucas.
„Ganz einfach. Nachdem ich mich bei White’s so zum Narren gemacht habe, möchte ich auf keinen Fall auch nur den Anschein erwecken, als stünde ich auf der Seite derer, die solche Flugblätter verfassen. Ich möchte lieber unauffällig bleiben, damit man meine Ansprache vergisst. Um mich dabei zu unterstützen, hat Lady Nicole mir gestattet, ihr öffentlich den Hof zu machen, sodass alle Welt glauben muss, ich sei zu verliebt, um mich mit so ernsten Angelegenheiten wie Bürgeraufständen zu befassen.“
„Verflixt, da hast du dir also schon etwas ausgedacht, damit die Pflastersteine bleiben, wo sie sind? Ohne mich um Rat zu fragen, hast du stattdessen Lady Nicole angeworben? Du tust mir weh, Lucas, ehrlich. Und sie hat zugesagt, nehme ich an? Warum?“
Ja, warum? Genau das fragte Lucas sich auch schon die ganze Zeit, wobei er sich
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