Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
Matronen und eine junge, zarte Dame in himmelblauem Kleid, daneben – ah, daneben der grauhaarige Herr, der ihr so besonders distinguiert erschienen war, fehlte.
„Lord Yalding! Psst!“, zischte Nicole und wandte sich zu ihm um.
Fletcher warf ihr einen strafenden Blick zu, der besagte, sie solle sich auf die Bühne konzentrieren, fragte aber höflich: „Kann ich Ihnen helfen, Mylady?“
„Entschuldigen Sie, aber die junge Dame da drüben in der zweiten Loge von rechts – die in dem blauen Kleid zwischen den beiden älteren Damen – kennen Sie sie?“
Fletcher folgte ihrer Blickrichtung. „Das? Äh … das ist … äh … Lord Fraynes Nichte. Was ist mit ihr?“
„Nichts.“ Nicole strahlte ihn an. „Ich fand sie nur ganz reizend. Braucht Lord Basingstoke wohl noch lange? Ich bin so schrecklich durstig.“
„Bestimmt ist er gleich wieder hier. Der Stand mit den Erfrischungen ist draußen am Ende des Gangs. Wenn Sie nun bitte …“
„Ja, sicher, ich bin ja schon still“, flüsterte Nicole und winkte ihrer Schwester, die nicht weniger vorwurfsvoll schaute als Lord Yalding. Doch das irritierte Nicole nicht im Geringsten, schließlich erntete sie ständig solche Blicke.
Nachdem die beiden sich wieder den Vorgängen auf der Bühne widmeten, wo nun ein einzelner Schauspieler einen dramatischen Monolog vortrug, zählte Nicole langsam bis zehn. Lydia, sichtlich beeindruckt, hatte die Hände vor dem Busen gefaltet und seufzte ergriffen. Leise erhob sich Nicole und huschte die drei Stufen hinauf in den Hintergrund der Loge.
„Mylady?“ Fletcher sah sich stirnrunzelnd nach ihr um.
„Psst“, mahnte sie. „Da vorn zieht es. Ich setze mich hier hinten hin, neben Renée.“
Einen Moment schaute Fletcher sie besorgt an, dann schüttelt er den Kopf, als schelte er sich wegen eines unnetten Gedankens, und wandte sich wieder der Bühne zu.
Nicole durchbohrte die Zofe mit einem Blick, der schlimmste Folgen andeutete, wenn sie auch nur ein Wort zu sagen wagte, dann nahm sie geräuschlos Lydias Retikül an sich und schlüpfte still und leise aus der Loge.
Draußen im Gang lehnte der Logendiener an einer Wand, nahm jedoch sofort Haltung an, als er Nicole erblickte. Er eilte zu ihr, verbeugte sich tief und versicherte sie seiner uneingeschränkten Dienste.
„Wie freundlich von Ihnen“, hauchte sie und schenkte ihm ein Lächeln. „Meiner Schwester ist nicht gut, und nun suche ich Lord Basingstoke, der hinausging, um Hilfe zu holen. Aber nun ist er schon so lange fort. Haben Sie zufällig bemerkt, wohin er ging?“
„Ja, Mylady“, antwortete er, während sie eine Münze aus dem Retikül fischte und sie ihm in die Hand drückte.
„Wie wunderbar. Und werden Sie mir bitte zeigen, wohin?“
„Ja, Verzeihung, Madam, in diese Richtung.“ Er zeigte mit der Hand. „Aber da ist nur noch die letzte Loge und dann eine Treppe, die runter zur Bühne führt.“
„Vielen Dank.“ Am entgegengesetzten Ende des Gangs entdeckte Nicole den Erfrischungsstand, der jedoch unbeaufsichtigt war. Sie war sich sicher, dass Lucas jetzt, während der Vorstellung, auch keine fremde Loge besuchte, nicht, nachdem er Lord Frayne zugenickt hatte. Nicole wusste auch, dass sie sich besser nicht allein in dem Gang aufhielt, in dem jeden Moment jemand auftauchen konnte. „Lord Basingstoke muss wohl die Treppe benutzt haben, als er nach Hilfe suchte. Würden Sie mich vielleicht zu ihm führen?“
„Es ist mir ein Vergnügen“, entgegnete der Lakai, als ob er ständig junge Damen von Stand begleitete. „Ich bin Lester, Miss.“
„Lester? Welch ein feiner Name. Nun, so helfen Sie mir bitte, Seine Lordschaft rasch aufzuspüren. Es ist wichtig.“
Lester führte sie die kurze Strecke zum Ende des Korridors, der dort abknickte und vor einer Tür endete. Der Bursche öffnete sie, und Nicole lugte eine schwach beleuchtete Wendeltreppe hinab, die nach etwa zehn Stufen von einem Absatz unterbrochen wurde.
„Warten Sie hier vor der Tür, Lester“, befahl sie. „Schließen Sie sie, und wachen Sie davor.“
„Mylady?“
Nicole legte ihm ihre behandschuhte Rechte auf den Arm. Der Junge war gut zwei Jahre jünger als sie. Leichte Beute, dachte sie. Und das war er in diesem Augenblick auch. „Bitte Lester“, sagte sie flehend, „Sie wollen doch der wahren Liebe nicht im Wege stehen, oder?“
„Aber .. aber Sie sagten, Ihre Schwester …“
„Eine Ausrede, Lester. Falls jemand vorbeikam und mithörte. Seine Lordschaft und ich
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