Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
gemacht, Miss, nicht wahr?“, fragte der Junge, sichtlich voller Eifer, jede Unbill, die Seine Lordschaft ihr angetan haben mochte, zu rächen, und wies das Geld zurück. „Nein, Miss, nich’ nötig! Ich hätte Ihnen besser nicht helfen sollen, wo er Ihnen doch wehgetan hat.“
„Nein, Lester, hat er nicht, ehrlich. Wir haben uns nur gestritten. Er wollte mit mir durchbrennen, aber das kann ich doch meiner verwitweten Mutter unmöglich antun. Und nicht vergessen, was Sie ihm sagen sollen!“, mahnte sie ihn, dann eilte sie raschen Schrittes zur Damengarderobe, voller Unruhe, dass Lucas hinter ihr auftauchen könnte, doch es ging gut, und sie schloss die Tür hinter sich und lehnte sich schwer atmend dagegen.
„ Hier bist du!“
Erschreckt riss Nicole die Augen auf. „Lydia?“
Lydia ging zu ihr. „Ja, deine Schwester Lydia“, flüsterte sie, „die sich halb verrückt vor Sorge fragt, was du wieder angestellt haben könntest. Wie schön, dass du mich noch kennst! Wo warst du? Lord Yalding meinte, dass du nur hier sein kannst. Außerdem hast du aus Versehen mein Retikül mitgenommen. Hier ist deins, aber da ist nicht einmal ein Penny drin, sodass ich der Garderobenfrau nichts geben konnte, die mir unbedingt zur Erfrischung ein feuchtes Tuch aufdrängen wollte. Ich habe hier auf dich gewartet, weil ich wohl kaum hinausgehen kann, ohne ihr ein Trinkgeld zu geben.“
Als Nicole jemanden kichern hörte, sah sie sich um und entdeckte Renée. Außerdem standen noch ein paar andere Damen mit ihren Zofen herum. Sie schaute Renée scharf an, die schnell ihr Kichern unterdrückte und verlegen zu husten begann.
„Ach, es tut mir so leid, ich war in die falsche Richtung gegangen“, erklärte Nicole unbefangen. „Weißt du, mir war nicht gut, und da habe ich mich den Gang weiter hinunter auf eine Bank gesetzt. Du hast mich wohl nicht gesehen.“
„Nein, leider nicht.“ Lydia hob stolz den Kopf, und Nicole wusste, dass ihrer Schwester einiges klar war, wenn sie es auch nicht billigte. Doch sie würde nichts weiter sagen, solange so viele fremde Ohren interessiert lauschten.
„Neben dem Sitz steht eine große Topfpalme, die mich vermutlich verdeckt hat“, erklärte Nicole dreist, hakte sich bei Lydia ein und zog sie unauffällig zur Tür. „Tut mir leid, dir Kummer gemacht zu haben. Gehen wir zurück an unseren Platz.“
Als sie draußen im Gang waren, blieb Lydia stehen, sodass auch Nicole anhalten musste. „Du hast irgendetwas getan; was, will ich gar nicht wissen. Ihr beide, du und Lord Basingstoke.“
Sosehr Nicole sich bemühte, es gelang ihr nicht, zu erröten oder auch nur im Mindesten verlegen oder reuig auszusehen, also sagte sie Lydia, was die zu hören erwartete. „Es war nur ein einziger Kuss, Lydia. Das ist doch nicht schlimm. Er bat mich darum. Und ich, na gut, ich war neugierig.“
So, dachte sie, damit habe ich ihm diese abfällige Bemerkung über meinen Kuss heimgezahlt.
„Ich hätte es mir denken müssen. Immer ist es deine Neugier! Und du hast ihm wirklich erlaubt, dich zu küssen?“
Nun würde sie wieder lügen müssen, wie sie diesen Lester belogen hatte, wie sie Lydia belogen hatte – und sich selbst.
„Nur einmal, Lydia, ehrlich. Aber du hast dich meinetwegen aufgeregt, nicht wahr? Es tut mir so leid! Ich mache es wieder gut. Morgen gehe ich mit dir in diese Buchhandlung, die du so liebst, da kannst du in den Büchern stöbern, so lange du magst, und ich werde dich ganz bestimmt nicht drängen.“
„Du steht doch so ungern herum, während ich mich umsehe!“
„Ja, aber ich will mich bessern. Ich werde mir eine Karte von London besorgen, eine, in der all die Sehenswürdigkeiten und alle Straßen zu finden sind und die Kirchen … vielleicht besuchen wir die eine oder andere.“
„Auch das macht dir keinen Spaß“, sagte Lydia und sah sie misstrauisch an.
„Ehrlich, Lydia, wenn man dich so hört, mag ich überhaupt nichts. Ich will nur wiedergutmachen, dass ich dich erschreckt habe. Lass mich doch!“
Sofort errötete Lydia, beschämt, weil sie glaubte, ungerecht gewesen zu sein. „Verzeih mir. Wenn du dich entschuldigen willst, sollte ich das netter aufnehmen. Aber bitte geh nicht wieder heimlich los, um dich mit dem Marquis zu treffen. Er sollte wirklich besser wissen, was sich gehört, wenn schon nicht du.“
Während sie Lydia hoch und heilig schwor, es nie wieder zu tun, widerrief sie den Schwur insgeheim für sich, und da sie nun Lucas heraneilen sah,
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