Walzer, Küsse und Intrigen - Michaels, K: Walzer, Küsse und Intrigen
Verzeihen Sie mir bitte.“
Nicole lehnte sich aufseufzend zurück. So sehr schämte sie sich für ihre Mutter, dass sie zwar den Blick auf die Bühne richtete, doch weder sah noch hörte, was dort vor sich ging. „Meine Mutter war oft verheiratet, und immer unvorteilhaft. Mein armer Vater, der der jüngere Sohn war, neigte fatal dazu, hohe Summen auf die unmöglichsten Wettgegenstände zu setzen, und verlor regelmäßig, so erzählte uns Rafe. Und jeder folgende Ehemann war schlimmer als der davor. Bitte sagen Sie mir, dass Lord Frayne wenigstens nicht schon mit einem Fuß im Schuldgefängnis steht.“
„Er ist recht gut betucht, Nicole. Wäre es anders, würde ich ihn für die Information, die er mir geben kann, bezahlt haben und müsste mich nicht auf eine Intrige einlassen. Aber er wird Ihre Mutter nicht heiraten, falls sie das erhofft. Letztes Jahr starb sein einziger Sohn bei einem Reitunfall, deshalb hält Frayne Ausschau nach einer jungen Frau, die ihm einen neuen Erben schenken kann.“
„Warum ist er dann …“ Da ihr die richtigen Worte fehlten, machte sie eine unbestimmte Geste mit den Händen.
„Wenn etwas freiwillig angeboten wird, wird es häufig auch genommen, selbst wenn der Nehmer nicht daran denkt, sich für die Gabe zu revanchieren.“
Eine geraume Weile sah Nicole ihn an, dann wandte sie den Blick wieder der Bühne zu. Ich bin nicht wie meine Mutter, nein, ich bin nicht wie meine Mutter. Bitte, lieber Gott, so bin ich doch nicht?
Erst als das Publikum zu applaudieren begann, merkte sie, dass sie ihre Hände fest zu Fäusten geballt hatte.
Es war schon weit nach Mitternacht, als Nicole schließlich missmutig ihre Decke zurückschlug und aus dem Bett schlüpfte. Wenn sie nicht bis zum Morgen wach liegen wollte, brauchte sie nun etwas warme Milch.
Sie hatte sich einreden wollen, dass Lucas Payne an ihrer Schlaflosigkeit schuld war, doch schließlich hatte sie sich eingestehen müssen, dass sie immer noch über ihr Betragen am heutigen Abend nachgrübelte. Sie hatte sich wirklich sehr schlecht aufgeführt.
Und schlimmer noch, sie wusste, sie würde so weitermachen müssen – denn sonst würde Lucas ihr nichts mehr erzählen und ihr bliebe dann nur, sich in den nächsten Tagen, vielleicht gar Wochen, permanent darum zu sorgen, ob er unversehrt bliebe … oder ihm vielleicht Schlimmeres … wie konnte er es wagen, ihr das anzutun?
Ihre Gedanken liefen im Kreis, irgendwie gelang es ihr nicht, in einer klaren Linie zu denken, und schon gar nicht konnte sie sich von der Vorstellung lösen, dass Lucas Payne ihr immer wichtiger wurde.
Und wie konnte er wagen, ihr noch obendrein das anzutun!
Sie schob die Füße in ihre Pantöffelchen und warf sich ihren Morgenmantel über, um sich zur Küche aufzumachen. Als sie auf dem Korridor an Rafes und Charlottes Räumen vorbeikam, sah sie Licht unter der Tür durchscheinen. Da Rafe noch auf dem Land weilte, war Charlotte allein in der Suite. Ihr Kind wurde erst im Juli erwartet, doch sie hatte in der letzten Zeit häufiger über Erschöpfung geklagt.
Einen Moment betrachtete Nicole den Lichtstreifen, unentschlossen, ob es Grund zur Sorge gab oder ob sie sich über sich selbst sorgen sollte, weil sie sich überhaupt sorgte – was ihr gar nicht ähnlich sah. Schließlich klopfte sie an die Tür. „Charlotte? Charlotte, geht es dir gut?“
Als sie nur eine unverständliche Antwort erhielt, drückte sie die Klinke herunter, trat ein und schloss die Tür hinter sich. „Charlotte?“
„Hier drüben bin ich.“
Vorsichtig durchquerte sie das Vorzimmer und ging in das geräumige, nur schwach erhellte Schlafgemach. Charlotte saß in einem der gemütlichen Sessel neben dem Kamin, ihre Füße ruhten auf einem gepolsterten Schemel, in der Hand hielt sie ein Buch.
„Warum schläfst du nicht?“, fragte Nicole und kauerte sich in den zweiten Sessel. „Wenn wir gewusst hätten, dass du nicht im Bett bist, wären Lydia und ich nach dem Theater noch hereingekommen, um dir alles zu erzählen.“
„Ich wollte schlafen, aber unser Nachwuchs hier …“, sie tätschelte sanft ihren voluminösen Bauch, „… war dagegen. Man sollte meinen, dass er mit kleinen Stiefeln an den Füßen zur Welt käme. Mitsamt Sporen!“
Nicole lachte pflichtschuldig, seufzte aber dann unwillkürlich.
„Nicole, was ist denn, Liebes?“
„Was ist?“ Nicole schaute ihre Schwägerin an, die sie für klüger als die meisten Menschen hielt, denn immerhin war nicht einmal ihr
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