Wandel

zurückkommen.“
    „Gebongt!“, meinte Bob fröhlich. „Wo soll es langgehen?“
    Wir hatten die Wahl zwischen drei Pfaden: Einer schlängelte sich zwischen hohen Gräsern und stattlichen Bäumen hindurch, ein anderer war mit Kies bestreut und führte leicht bergan, zwischen hohen Felsen hindurch, die in die Gartengestaltung eingearbeitet worden waren. Der dritte bestand aus grünem Kopfsteinpflaster und führte durch ein Feld aus hübschen, niedrigen Blühpflanzen, die an keiner Stelle die Sicht versperrten. Ich entschied mich für die dritte Möglichkeit, denn freie Sicht war immer von Vorteil.
    Nach zwanzig oder dreißig Schritten auf dem gepflasterten Pfad wurde ich unsicher. Ohne erkennbaren Grund, soweit ich das beurteilen konnte. Es war eine reine Instinktsache.
    „Bob? Was sind das für Blumen?“
    „Schlüsselblumen“, erwiderte der Schädel wie aus der Pistole geschossen.
    Ich blieb wie angewurzelt stehen. „Mist!“
    Die Erde bebte.
    Der Boden rings um meine Füße hob sich unter stürmischen Bewegungen, woraufhin die Steine auf dem Pfad, der sich vor mir durch die Schlüsselblumen dahinzog, in heftige Wallung gerieten und sich aus der Erde schoben. Weil es nämlich keine Steine waren, sondern die sanft abgerundeten Spitzen eines Hautpanzers, und dieser wiederum gehörte einem unglaublich langen, grünen Tausendfüßler, der gerade Erde und Laub von sich abschüttelte. Angeekelt, aber auch fasziniert sah ich zu, wie sich gut fünfzehn Meter von uns entfernt ein Kopf aus der Erde hob und sich uns zuwandte. Ein Maul öffnete sich, Zähne klapperten aufeinander, wobei ich unwillkürlich an eine riesige Schermaschine denken musste. Dieses Maul war groß genug, um mich an der Taille einmal fein säuberlich in zwei Hälften zu zerteilen.
    Hastig drehte ich mich um: Auch hinter mir hatten sich fünfzehn, zwanzig Meter Pfad in Schuppenpanzer verwandelt, und als ich zu Boden sah, musste ich feststellen: Selbst der Stein, auf dem ich gerade stand, war eigentlich keiner. Auch er gehörte zu dem Monsterwesen, schien sich aber als Letzter in Bewegung setzen zu wollen.
    So sehr ich mich auch anstrengte, ich schaffte es nicht, das Gleichgewicht zu halten, als nun auch dieser letzte „Stein“ sich aus dem Erdreich losriss. Schließlich landete ich mitten zwischen den Schlüsselblumen und durfte zusehen, wie das riesige Haupt des Tausendfüßlers sich von links nach rechts schlängelnd in höchst alarmierendem Tempo auf mich zubewegte.
    Enorm große Augen glitzerten hell, aus dem hungrig schnappenden Kiefer troff gelber Schleim. Hunderte von Beinen gruben sich fast wie selbstständig in den Boden, um das Monster vorwärtszubewegen, die Zehenspitzen glichen scharf gespitzten Zeltheringen, die sich mühelos in die Erde bohrten, und das Ganze hörte sich an wie eine gottverdammte Lokomotive.
    „Ich habe es dir gleich gesagt!“, schrie ich den Schädel an, während der Tausendfüßler bedrohlich immer näher rückte. „Das ist hier alles viel zu einfach!“

12. Kapitel
    J a.
    Das hatte ich echt nicht im Sinn gehabt, als ich morgens aus dem Bett geklettert war.
    Von Rechts wegen hätte dieses verdammte Ding langsamsein müssen. Das sagte einem doch nicht nur jedes einzelne Gesetz der Physik, das sagten auch sämtliche Regeln des gesunden Menschenverstandes: Ein Tausendfüßler dieser Größe hatte langsamzu sein. Dinosaurisch. Elefantös.
    Nur leider befanden wir uns hier im Niemalsland, wo andere Regeln galten, wo die Physik mit all ihren Gesetzen gerade mal eine Orientierungshilfe war, noch dazu eine sehr vage, endlos dehnbar und elastisch. Herz und Hirn hatten hier mehr Gewicht als die Materie, und das riesige Insekt war einfach schnell. Der raubtiergleiche Kopf mit dem weit aufgerissenen Killermaul raste mit der Geschwindigkeit einer geisteskranken Lokomotive auf mich zu.
    Noch war das Glück auf meiner Seite: Ich schaffte es, schneller zu sein. Knapp, aber immerhin.
    Ich riss die linke Hand hoch, mit der Handfläche nach außen, eine Geste, die überall in der Welt nur eins bedeuten kann: Stopp. Meine Absicht war an diesem Punkt von höchster Wichtigkeit. Als sich das Riesenmaul zu schließen drohte, hob ich ihm meinen kugelförmigen Schild entgegen. Summend schoss die Energie durch die vielen kleinen Amulette meines Armbands, das sofort in einem schimmernden Licht erstrahlte, als die durchfließende Magie durch die vergängliche Substanz des rein Materiellen leuchtete.
    Als sich die Kiefer knarrend und