Wandernde Welten
das wirklich stimmt«, sagte er zu Paula, »dann ist die Erde entsetzlich.«
»Nein«, antwortete sie ruhig. »Wenn es stimmt, was ich von euch gehört habe, dann ist im Gegenteil eure Lebensart falsch, und das ist für euch entsetzlich.«
»Wollen Sie mich beleidigen?«
»Ich versuche nur, mich mit Ihnen zu unterhalten.« Ketac brachte ihr das Essen, doch sie schüttelte den Kopf. Sie wollte sich keine Blöße geben und versuchen, wie ein Stythe mit den Fingern zu essen. Tanoujins Gesicht war verzerrt vor Wut. Abrupt sprang er auf und verließ den Raum.
Der Akellar schickte die beiden jungen Männer mit einem Wink ebenfalls hinaus. Er nahm einen Löffel vom Wagen, drückte ihn ihr in die Hand und reichte ihr einen Teller mit einem wunderbaren Lammbraten. Dann setzte er sich neben sie auf den Boden.
»Ich hatte befürchtet, daß es so ausgehen würde«, sagte er. »Tanoujin haßt alle Frauen.«
»Ich bin froh, daß es keine persönliche Abneigung ist.«
Er lachte. Sie aßen eine Weile schweigend. Als sie fertig waren, füllte er ihre Teller noch einmal. Sie konnte nicht mehr und wunderte sich über seinen Appetit.
»Er ist nicht verheiratet, nehme ich an?«
»Nein. Seine Frau ist tot. Ich glaube, im Grunde genommen haßt er jeden - mich vielleicht ausgenommen. Aber er ist ein brillanter Kopf. Er liest alle möglichen Bücher.« Er lachte leise. »Und er kann es nicht ertragen, unrecht zu haben.«
Er füllte sich eine dritte Portion Lammbraten auf den Teller. Es hatte ihm Spaß gemacht, sie gegen Tanoujin zu stellen. Endlich schob er den leeren Teller zurück, rülpste genüßlich und klopfte sich auf den Magen. »Gib mir einhundertfünfzig Wachen Zeit, bis wir zur Erde kommen.«
Sie rechnete rasch nach. »Das sind ungefähr sechs Wochen nach unserer Zeitrechnung. Okay.«
»Ich verspreche dir auch, daß ich bis dahin niemanden erschießen werde.«
Er nahm eine Serviette vom Servierwagen und wischte sich die fettigen Hände ab. »Schlaf mit mir«, sagte er.
»Ich muß arbeiten«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. Sie trank den Rest ihres Apfelweins.
»Arbeiten kannst du doch auch in der nächsten Wache.«
»Da habe ich keine Zeit.«
Er schlug ihr die Faust in den Rücken. »Dann geh.«
Ihre Tür war offen. Laute synthetische Musik plärrte heraus. Sril hockte mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden und sog Rauch durch einen langen Schlauch aus einem Topf, der vor ihm stand. Ketac saß auf der Couch. Die Luft duftete schwer nach Opium. Ketac wirkte schläfrig. Sie ging ins Bad, zog sich aus und nahm eine Dusche.
Der Musikgeschmack der Stythen war eng begrenzt. Als eine etwas kompliziertere Melodie aus dem Videone erklang, fummelten sie sofort an den Einstellknöpfen herum, bis sie harten Rock gefunden hatten. Die Musik war so laut, daß Paula sie sogar im Bad als störend empfand. Während sie sich abtrocknete, brach sie plötzlich ab, und eine Stimme sagte: »Was ist denn hier los?«
Sie warf den Morgenrock über und ging zur Verbindungstür des Wohnzimmers. Der große Stythe mit der Narbe stand vor dem Videone, ihm gegenüber der Manager des Ninive. Das Kinn des Marsianers wies leichte Abendstoppeln auf, und er sah entsetzt umher. Paula schlang den Gürtel um ihre Taille und knüpfte ihn zu. Der narbige Stythe schaltete die Musik mit voller Lautstärke wieder ein. Sie war so schrill, daß Paula die Ohren schmerzten.
Sril und Ketac hockten über dem Opium-Erhitzer.
Der Marsianer fuhr Paula an: »Ich mache Sie für alles verantwortlich.« Er schüttelte erregt die rechte Faust. »Sie haben sie hierhergebracht...«
Der narbige Stythe sagte: »Wagen Sie es nicht noch einmal, die Musik abzudrehen.«
Der Manager verließ das Zimmer. Paula blickte ihm besorgt nach. Narkotika waren auf Mars verboten. Sril hob den Kopf.
»Sag mal, was ist denn eigentlich los?« fragte er mit schwerer Zunge.
Ketac war von der Couch zu Boden gerutscht. Er reagierte nicht.
Paula kniete sich neben Sril.
»Ihr müßt verschwinden!« schrie sie ihm ins Ohr, um das Plärren der Lautsprecher zu übertönen. »Er holt sicher Hilfe.«
Sril lachte. Das Weiß seiner Augäpfel war von roten Adern durchzogen. »Er braucht auch Hilfe.«
»Ihr kennt diese Leute nicht. Er holt die Hotelpolizei und...«
Ketac hob den Kopf. Seine Augen waren halb geschlossen. Sein Mund war schlaff. »Wir nehmen es mit ihrer ganzen verdammten Armee auf...«
Sie schüttelte den Kopf.
Sril sagte: »Wir nehmen jeder zwei Marsianer auf die
Weitere Kostenlose Bücher