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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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»Sitze für den Schulzen und die Schöppen«. Selbst der Nachtwächter wurde herangezogen und mußte von Stund' an rufen: »Bewahrt das Feuer und das Licht, daß diesem Dorfe kein Schaden geschicht.« Wieder wurde Plaue beim Kammergericht vorstellig und das Kammergericht entschied abermals: »in allen öffentlichen Anschlägen den Ort Plaue ›Stadt‹ oder ›Städtchen‹ zu nennen und so auch den dasigen Nachtwächter abrufen zu lassen, überhaupt die Stadt Plaue – bei hundert Dukaten Strafe für jeden Kontraventionsfall –, bei ihren städtischen Gerechtsamen und dem Namen einer Stadt oder eines Städtchens zu belassen, auch die dasige Obrigkeit und Bürgerschaft nicht Schulze, Schöppen und Kossäten, sondern Bürgermeister, Ratmänner und Bürger zu benennen.«
    So von Anhalt in seiner lächerlich aufgeschraubten Grandseigneurschaft, die beständig in Brutalität und – Karikatur ausartete. Was aber der guten Stadt Plaue womöglich noch mehr Anstoß und Ärgernis gab als ihres Schloßherrn unerträglicher Hochmut, das war sein Wandel, der aller guten Sitte Hohn sprach. Bis 1780 ging es. In diesem Jahre aber starb Frau von Anhalt, Karoline, geb. von Wedell, Tochter des Kriegsministers von Wedell, und von diesem Zeitpunkt an kannte von Anhalts Rücksichtslosigkeit keine Grenzen mehr. Er gefiel sich in seltsamen Reunions, denen die Sitzungen des Tabakskollegiums weiland König Friedrich Wilhelms I. als Muster vorschweben mochten, von denen sie sich aber durch ihre Sittenlosigkeit nur zu sehr unterschieden. Berliner Freunde wurden geladen, einzelne Nachbarn nahmen teil, und was an Witz und Wissen fehlen mochte (trotzdem es an klugen Köpfen nicht geradezu gebrach), das wurde durch Roheiten ersetzt. Heldin und Opfer dieser Bacchanale war eine Mätresse von Anhalts, eine Plauer Fischertochter, die, wenn man sich von der Tafel erhob, zur Belustigung der Gäste mit herangezogen wurde. Man schritt dann zu Bacchustänzen, neben denen all das, was über solche Tänze berichtet wird, verschwindet. Alles was geschah, war übrigens noch mehr gemein, als lasterhaft, aber das, was die Moral dabei gewinnen mochte, wurde mehr als ausgelöscht durch ein Gebaren, das den Begriff der Menschenwürde nicht kannte. Diese Szenen spielten genau zu der Zeit, wo die Menschenrechte proklamiert wurden. Indessen was bedeuteten diesem Manne die Menschenrechte? Den Vätern, auf den zur Herrschaft gehörigen Dörfern, nahm er die konfirmierten Knaben und zwang sie zu mehrjährigem Dienst als Schweinehirten und Hundejungen. Der Dienst einzelner Konfirmandinnen entsprach dem. Liest man solche Schilderungen, so begreift man, ja freut man sich im tiefsten Herzen (und kann dies der patriotischen Phrase gegenüber nicht oft und nicht laut genug betont werden), daß fünfzehn Jahre später die Franzosen von einem starken Bruchteil unserer Bevölkerung mehr als Befreier wie als Unterdrücker empfangen wurden. Etwas von Genialität und superiorem Humor, ja selbst von Berechtigung einer herausfordernden Spießbürgerlichkeit gegenüber, soll all diesem Tun nicht abgesprochen werden, aber wer sich darin gefällt, das Recht kleiner Leute zu mißachten und, dabei dem Gesetz ein Schnippchen schlagend, lediglich die Spießbürgerlichkeit der kleinen Leute zu betonen, der hat es leicht den Humoristen zu spielen und eine komische Wirkung hervorzubringen. Endlich, 1793, kam die Quälerei zum Abschluß: von Anhalt verkaufte seinen Gesamtbesitz an den Kriegs- und Domänenrat Adolf Julius von Lauer-Münchhofen.
    Plaue atmete auf.
    von Anhalt überlebte diesen Verkauf noch um acht Jahre und starb 1801, siebenundsechzig Jahre alt, im Städtchen Ziesar.
     
4. Kapitel
     
Plaue von 1793 bis 1839. von Lauer-Münchhofensche Zeit
    Adolf Julius Lauer, ursprünglich Kabinettssekretär, dann Hofkammer- und Forstrat des Markgrafen Heinrich von Brandenburg-Schwedt, wurde, nachdem er in königlich preußische Dienste getreten, als Kriegs-und Domänenrat zu Magdeburg in den Freiherrnstand erhoben. Er vermählte sich mit Charlotte, Freifrau von Stoltzenberg.
    Wie der Beginn der Görnezeit den Dreißigjährigen Krieg gesehen hatte, so sah die Lauer-Münchhofensche Zeit die Befreiungskriege. Leider auch das, was der Befreiung voraufging. 1806 dirigierte sich ein Teil unseres Rückzugs über Plaue, dessen Brücke – wie zur Zeit der Schweden und Kaiserlichen – niedergebrannt wurde, um die Franzosen in ihrem Vormarsch auf Berlin aufzuhalten. Daß Plaue, trotz dieser den

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