Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
luden uns zum Verweilen ein. Aber es war doch schließlich ein anderes, was uns hierhergeführt hatte, weshalb wir denn auch Park und Schloß aufgaben, um uns zunächst eines sagen- und landeskundigen Blankenseers zu versichern.
Der Zufall wollt uns wohl, und am Dorfrande wurden wir alsbald eines Mannes ansichtig, der, in einem offenen Torwege stehend, unserm unsichren Umhersuchen schon seit einiger Zeit gefolgt zu sein schien. Als er uns auf sich zukommen sah, kam er uns seinerseits unter artigem Gruß entgegen. Es war ein großer, schöner Mann von militärischer Haltung, dabei zugleich von jener ruhigen Sicherheit wie sie die bibelfesten Leute zu haben pflegen. Es entspann sich folgendes Gespräch.
»Wir wollen auf den Kapellenberg. Können Sie uns den Weg zeigen?«
»Ich kenn ihn nicht. Aber nach dem, was ich gestern gehört, ist er nicht zu fehlen.«
»So sind Sie nicht von Blankensee?«
»Nein. Ich bin erst seit acht Tagen hier.«
»In der Schäferei?«
»Ja.«
»Der Schafmeister?«
»Nein. Ich bin sein Knecht.«
Mein Begleiter und ich sahen einander an, und eine kleine Pause trat ein. Der unumwundenen Erklärung: »Ich bin dieses oder jenes Mannes Knecht«, begegnet man in Städten niemals und auf dem Lande nicht allzu häufig. Man sucht sich ausweichend zu helfen, so gut es geht. »Ick bin bi Schulz Borchardten sine Peerd«, so oder ähnlich wird das Wort umgangen. Was uns aber in dem vorliegenden Falle noch ganz besonders frappierte, war das korrekte Deutsch und der männliche und zugleich bescheidene Freimut, in dem die Antwort gegeben wurde. Diese so seltene Demut und Wahrheitsliebe verfehlte nicht eines Eindrucks auf uns, und wir freuten uns, als unser neuer Bekannte darum bat, uns begleiten zu dürfen. Er war, wie sich bald ergab, aus der Provinz Sachsen, hatte in der Garde gedient und war dann sechs oder sieben Jahre lang der Diener in einem altlutherischen Hause und der Pfleger eines einzigen gichtbrüchigen Sohnes gewesen. So war denn vieles erklärt. Was ihn aus der großen Stadt in dies abgelegene Dorf geführt, erfuhren wir nicht.
Erst über ein breites Brachfeld hin und bald danach einen Waldweg hinauf, erreichten wir die Kuppe des unser nächstes Ziel bildenden Kapellen berges und betraten den alten Bau, der seinerzeit diesem Berge den Namen gegeben. Zwei Wände sind eingestürzt zwei stehen noch, so daß es auch für den Laien ein leichtes ist, sich alles wieder in Vollständigkeit vorzustellen. Es war eine gotische Kapelle, zehn Schritt im Quadrat, nach allen vier Seiten hin offen, genau nach Art jener Baldachine, denen man in alten Domen so oft über dem Altar begegnet.
Ob dieser Bau vordem ein Wallfahrtsort war, ist schwerlich noch mit Sicherheit festzustellen, aber das scheint mir gewiß, daß er kirchlichen Zwecken und nur solchen diente. Die Konsolnische, darauf das Muttergottesbild stand, ist noch wohlerhalten, und so muß es denn einigermaßen überraschen, in selbst guten Büchern auf folgende Versicherungen zu stoßen: »Es verrät nichts hier, daß das Gebäude jemals kirchlichen Zwecken gedient haben könne. Der Zweck desselben war ein militärischer; es war eine Burgwarte . Das Gemäuer zeugt von hohem Altertum, und es ist mindestens möglich, daß es, wenn nicht aus der Slawenzeit, so doch aus der Zeit der deutschen Eroberung stammt. Es diente wohl als Zwischenstation für die Burgen Trebbin und Saarmund.« So viele Zeilen, so viele Fehler. 1) Der ganze Bau war niemals etwas anderes als eine rechtwinklige Zusammenstellung von vier offenstehenden Portalen, genau das Gegenteil von Festung, Warte, Burg. Es ist ein Kapellchen aus dem vierzehnten oder vielleicht auch erst aus dem fünfzehnten Jahrhundert, so daß hier mutmaßlich ein Rechenfehler von dreihundert Jahren zu verzeichnen bleibt.
An diesen Kapellenberg knüpfen sich zahlreiche Sagen, die, wie verschieden auch in ihrer Einkleidung, doch sämtlich auf das alte, namentlich in unserer Mark beliebte Thema hinauslaufen, »daß daselbst ein Schatz vergraben sei«. Noch in diesem Jahrhundert kam ein Herr von Thümen ventre à terre von Berlin geritten, ließ Bauern und Tagelöhner wecken und zog in langer Kolonne den Berg hinauf, um unter dem alten »Bocksdornstrauch«, der die linke Kapellenecke mit seinem Gezweige füllt, bohren und graben zu lassen. Denn unter dem Bocksdornstrauche liegt der Schatz. Aber der Schatz kam nicht und der tolle Herr von Thümen mußt es schließlich doch wieder aufgeben, gerade so, wie es
Weitere Kostenlose Bücher