Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Lebensgröße
hergestellte Bildnis ist eine Arbeit Friedrich Tiecks,
gedanklich wenig bedeutend, aber in Form und Hal-
tung jenes künstlerische Maß bekundend, das, wo
andere Vorzüge fehlen, selbst schon wieder als Vor-
zug gelten kann.
Mehr als dies Denkmal nimmt unsere Aufmerksam-
keit die alte Klosterkirche in Anspruch, die sich an der Ostseite der Stadt in unmittelbarer Nähe des
Sees erhebt und das einzige Gebäude von Bedeutung
ist, das bei dem mehrerwähnten großen Brande ver-
schont blieb. Diese Klosterkirche ist ein alter, in gotischem Stile aufgeführter Backsteinbau aus dem Jah-
re 1253 und gehörte dem unmittelbar daneben gele-
genen Dominikanerkloster zu, von dem seit Restau-
rierung der Kirche auch die letzten Spuren ver-
schwunden sind. Über diese Restaurierung selbst
gibt eine die halbe Wand des Kirchenschiffs bede-
ckende Inschrift folgende Auskunft: »Dieses Gottes-
haus wurde seit dem Jahre 1806 wiederholt durch
feindliche Truppen entweiht und verfiel während des
Krieges dergestalt, daß es über dreißig Jahre nicht
für den öffentlichen Gottesdienst benutzt werden
konnte. Durch königliche Gnadenwohltat wurde die-
ses erhabene Denkmal echt deutscher Kunst und
Frömmigkeit seiner eigentlichen Bestimmung zu-
rückgegeben, indem es auf Befehl Seiner Majestät
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Friedrich Wilhelms III. wiederhergestellt und in Ge-
genwart seines Nachfolgers, Seiner Majestät Fried-
rich Wilhelms IV., feierlich eingeweiht wurde am
16. Mai 1841.«
Über dieser Inschrift befindet sich eine andere aus
der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts,
worin die Überweisung dieser Kirche seitens des Kur-
fürsten Joachims II. an die Stadt Ruppin ausgespro-
chen wird. Ähnliche Notizen im Lapidarstil gesellen
sich hinzu und mindern in etwas den Eindruck äu-
ßerster Kahlheit und Öde, woran die sonst schöne
Kirche bedenklich leidet. Dies Verfahren, durch In-
schriften zu beleben und anzuregen, sollte überhaupt
überall da nachgeahmt werden, wo man zur Restau-
rierung alter Baudenkmäler schreitet. Selbst Leuten
von Fach sind solche Notizen gemeinhin willkommen,
dem Laien aber geht erst aus ihnen die ganze Be-
deutung auf. Und zu diesen Laien gehört vor allem
die Gemeinde selbst . Ohne solche Hinweise weiß sie selten, welche Schätze sie besitzt. Ja, das Maß der
Unkenntnis und Indifferenz ist so groß, daß es denen
zu denken geben sollte, die nicht müde werden, von
dem Wissen und der Erleuchtetheit unserer Zeit zu
sprechen. Auffallen muß namentlich, wie absolut
nichts unser Volk von der vorlutherischen Periode
seiner Geschichte weiß. Man kennt weder die Dinge
noch die Worte dafür, und unter zwanzig Leuten auf
dem Lande wird nicht einer wissen, was der
»Krummstab« sei. In der Ruppiner Klosterkirche
fragt ich die Küsterfrau, welche Mönche hier wohl
gelebt hätten, worauf ich die Antwort erhielt: »Ich
jlobe, et sind kattolsche gewesen.«
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Die Ruppiner Klosterkirche wird in der oben zitierten
Inschrift ein »erhabenes Denkmal echt deutscher
Kunst« genannt, was richtig und nicht richtig ist, je
nachdem. Die Mittelmark, im Gegensatze zur Alt-
mark und dem Magdeburgischen, ist im ganzen ge-
nommen so wenig hervorragend an Baudenkmälern
aus der gotischen Zeit, daß keine besondere Schön-
heit nötig war, um mit unter den schönsten zu sein.
Das Innere der Kirche, trotz seiner Inschriften, ist
immer noch gerade kahl genug geblieben, um sich
der » Maus und Ratte « zu freun, die der den Decken-anstrich ausführende Maler in gewissenhaftem
Anschluß an eine halb legendäre Tradition an das
Gewölbe gemalt hat. Die Tradition selbst aber ist
folgende. Wenige Tage nachdem die Kirche, 1564,
dem lutherischen Gottesdienst übergeben worden
war, schritten zwei befreundete Geistliche, von de-
nen einer noch zum Kloster hielt, durch das Mittel-
schiff und disputierten über die Frage des Tages.
» Eher wird eine Maus eine Ratte hier über die Wöl-
bung jagen «, rief der Dominikaner, » als daß diese Kirche lutherisch bleibt. « Dem Lutheraner wurde jede Antwort hierauf erspart; er zeigte nur an die
Decke, wo sich das Wunder eben vollzog.
Unser Sandboden hat nicht allzuviel von solchen Le-
genden gezeitigt, und so müssen wir das Wenige
werthalten, was überhaupt da ist.
Die Klosterkirche ist eine Schöpfung Gebhards von
Arnstein, Grafen zu Lindow und Ruppin. Dies mag
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uns, im nächsten Kapitel, zu einer kurzen
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