Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Große die
Nacht vorher geschlafen hat?«
»Nein, der steht in der Neudammschen Mühle.«
»Sonst nichts?«
»Nicht daß ich wüßte.«
»Danke schön. Guten Abend, Herr Nonnenprediger.
– Fahr zu!«
Und so ging es weiter, an der hübschen neuen Kirche
vorbei, hinaus ins Freie.
Unmittelbar hinter Zorndorf beginnt das Schlachtfeld.
Es ist ein Viereck, das von der Neumühlschen Forst
und dem Zicher Bach im Westen und Osten und von
der Mietzel und einem Höhenzug im Norden und Sü-
den gebildet wird. An dem Höhenzuge liegen Wil-
kersdorf und Zorndorf. Auf diesem Stückchen Erde
wurde die Schlacht geschlagen. Der Boden ist wel-
lenförmig, aber die Einschnitte ziehen sich nicht hori-
zontal von West nach Ost, sondern senkrecht von
Nord nach Süd, so daß das ganze Terrain mit seinen
Höhen und Tiefen einer Tischplatte gleicht, auf der
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eine Riesenhand mit gespreizten Fingern liegt. Das
an jenem Tage den Mittelpunkt der russischen Stel-
lung bildende Dorf Quartschen entspricht dem Hand-
gelenk. Hier trafen alle Höhen und Tiefen in einem
Punkte fächerförmig zusammen.
Auf einem zwischen zwei dieser Vertiefungen, dem
Zaber- und dem Galgengrunde, gelegenen Hügelrü-
cken entschied sich die Schlacht. Richtiger: von hier aus wurde sie entschieden. Von Zorndorf her den Zabergrund hinaufrückend, begleitete Seydlitz am
äußersten linken Flügel der preußischen Aufstellung
den Auf- und Vormarsch der Angriffskolonnen. Sel-
ber ungesehen, sah er seinerseits alles. Auf die Auf-
forderung des Königs, »anzugreifen, bei Gefahr sei-
nes Kopfes«, gab er die bekannte Antwort: » Nach
der Schlacht stehe dem Könige sein Kopf zu Befehl;
während derselben mög er ihm noch erlauben, davon in seinem Dienste Gebrauch zu machen.« Der Zeitpunkt war eben noch nicht da. Im Moment aber, als
die bereits siegreichen Russen ihre Reiterei vor-
schickten, um in die fliehenden preußischen Bataillo-
ne einzuhauen, schwenkte Seydlitz plötzlich rechts,
passierte den Bach und stieg aus der Tiefe herauf.
Und nun wie Sturm über das Plateau zwischen dem
Zaber- und Galgengrund hinfegend, führte er jene
weltberühmte Attacke aus, die mit der Niederwer-
fung des zunächststehenden russischen Hügels en-
digte und, sechs Stunden später gegen den andern
Flügel wiederholt, den Tag zugunsten des Königs
abschloß.
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»Seydlitz, auch diesen Sieg verdank ich Ihm.« –
»Nicht mir, Majestät. Hier diesem Löwen, dem Ritt-
meister von Wakenitz.« Es war überhaupt, wie ein
Tag glänzender Attacken, so auch ein Tag glänzender
Impromptus und Repliken. »Keine Schlacht ist verlo-
ren, solange das Regiment Garde du Corps nicht an-
gegriffen hat« etc.
Die Chaussee von Zorndorf nach Quartschen läuft
auf der Höhe des flachen Hügelrückens zwischen
dem Zaber- und Galgengrunde hin und durchschnei-
det also genau denjenigen Teil des Schlachtfeldes,
auf dem die Würfel fielen.
Wir machen den Weg bei Sonnenuntergang. Der gol-
dene Ball hängt verschleiert am Horizont, die Luft ist
still, und nur hoch im Blauen singt es und klingt es
noch. So geht es zwischen dem wogenden Korn da-
hin.
Etwa 1000 Schritt hinter Zorndorf passieren wir ei-
nen altmodischen Bauerhof mit Plankenzaun und
Strohdach. Wieder 500 Schritte weiter fällt uns,
rechts am Weg, ein auf verschiedenen Stufen errich-
tetes und das Kornfeld weithin überragendes Stein-
monument auf, das am 25. August 1826 von Män-
nern des Kreises an ebendem Punkte aufgebaut wur-
de, wo, alter Überlieferung zufolge, der König hielt
und den Gang der Schlacht ordnete und überblickte.
Diesem Punkte gilt unser Besuch.
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Wir lassen halten und suchen nach einem Feldweg.
Aber nichts der Art ist zu finden. Besucher auf dem
Schlachtfelde von Zorndorf sind so selten, daß es
sich nicht verlohnt, einen Weg nach dem Denkmale
hin offenzuhalten. Lauter Ackerland. Oder wie es in
dem Chamissoschen Liede heißt: »Der Pflug geht
drüber hin.« Nach langem Suchen entdecken wir
endlich eine Furche, die uns in gerader Linie, wenn
auch von schräg liegenden Halmen völlig verdeckt,
dem Denkmal entgegenführt. Wir stehen nun vor
einem Sand- und Lehmhügel von der Form eines
Backofens, auf dem sich das Monument erhebt. Der
Aufgang ist steil, und man kann deutlich erkennen,
daß die früher sich allmählich abflachenden Wände
von dem Bauer, dem jetzt das Feld gehört, ab- und
niedergepflügt wurden, um dadurch ein paar
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