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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Blumenthal ist fast zwei Meilen lang und ziemlich
    ebenso breit. Hier und dort aber, wie schon ange-
    deutet, unterbrechen Ackerstrecken das Revier und
    dringen von rechts und links her bis an die Chaussee

    1435
    hin vor. Ungefähr in der Mitte des Waldes treffen von
    Nord und Süd her zwei solcher Einschnitte zusam-
    men und teilen den Forst in zwei ziemlich gleiche
    Hälften, in eine westliche und östliche oder in eine
    Werneuchensche und Prötzelsche Hälfte. Die erste ist
    die landschaftlich schönere, die andere die historisch
    interessantere.
    Der schönste Punkt der westlichen Hälfte ist der Ga-
    men-Grund. Hier war es, wo Schmidt von Werneu-
    chen seine Sommer- und Familienfeste zu feiern lieb-
    te. Sein feiner Natursinn bekundete sich auch in der
    Wahl dieser Stelle. Sie zeigt eine besondere Schön-
    heit, und während sonst der Bau einer Chaussee we-
    nig zum Reiz einer Landschaft beizusteuern pflegt,
    liegt hier ein Fall vor, wo das Landschaftsbild durch
    die durchschneidende Weglinie gewonnen hat. Der
    Chausseebau machte nämlich, wenn überhaupt eine
    passierbare Straße geschaffen werden sollte, die
    Überbrückung des Gamen-Grundes nötig, und da die
    Herstellung eines Dammes als passendstes Mittel
    erschien, ward ein Viadukt quer durch die Schlucht
    geführt, der nun das Hüben und Drüben des Hügel-
    landes verbindet. Von der Höhe dieses Viaduktes aus
    blickt man jetzt nach links hin in die Wassertiefe des
    Gamen- Sees , nach rechts hin in die Waldestiefe des Gamen- Grundes hinab. Der Vorüberfahrende fühlt
    sich wie gebannt, und der Eiligste hat es nicht eilig
    genug, um nicht ein paar Minuten an dieser Stelle zu
    verweilen. Beide Bilder sind schön, auch einzeln be-
    trachtet; aber das eine steigert noch die Wirkung des
    andern. Nach links hin Klarheit und Schweigen. Der
    Gamen-See, wie ein Flußarm, windet sich in leis ge-

    1436
    spanntem Bogen zwischen den Tannenhügeln hin,
    und nichts unterbricht die Stille als ein plätschernder Fisch, den die Nachmittagssonne an die Oberfläche
    treibt. Nach rechts hin Dunkel und Leben. Aus dem
    Grunde herauf und bis an die Höhe des Dammes,
    beinahe greifbar für unsere Hände, steigen die ältes-
    ten Eichen, und während sich die Stämme in Schat-
    ten und Waldesnacht verlieren, blitzt die Sonne über
    die grünen Kronen hin. Allerhand Schmetterlinge
    wiegen sich auf und nieder, und die Vögel singen in
    einer Herzlichkeit, als wäre dies das Tal des Lebens
    und nie ein Falk oder Weih über den Gamen-Grund
    dahingezogen. In der Ferne Kuckuckruf. Und ein
    blauer Himmel über dem Ganzen.
    Die Westhälfte des »Blumenthals« ist der landschaft-
    lich schönere Teil, aber die Osthälfte ist reicher an
    Sage und Geschichte. Wir wandern dieser anderen
    Hälfte zu. Der Wald hat uns bis an ein Vorwerk be-
    gleitet, dessen Stall- und Wirtschaftsgebäude bis
    hart an die Chaussee treten. Jenseits derselben fängt
    der Wald wieder an. Dies ist die Stelle, die wir su-
    chen. Der Weg über den Hof hin wird uns auf Ansu-
    chen freundlich gestattet, und hinaustretend in die
    halb bebauten, halb brachliegenden Felder, halten
    wir, einige hundert Schritte weiter abwärts, vor ei-
    nem mit Steinmassen überdeckten Terrain. Dies
    Steinfeld ist die sogenannte » Stadtstelle «.
    Hier stand vor 500 Jahren das Städtchen Blumen-
    thal, das seitdem dem ganzen Walde den Namen
    gegeben hat.

    1437
    Die ältesten Nachrichten reichen bis auf 1375 zu-
    rück, und das Landbuch der Mark Brandenburg führt
    »Blumendal« noch unter den Ortschaften des Landes
    Barnim auf. Der Umstand aber, daß nur das Areal
    des Städtchens angegeben und weder von Abgaben
    noch Hofediensten gesprochen wird, spricht dafür,
    daß die Feldmark bereits wüst und wertlos zu werden
    begann. Die Trefflichkeit der Äcker macht es zwar
    wahrscheinlich, daß im Laufe der nächsten Zeit noch
    Versuche gemacht worden sind, die wüst geworde-
    nen Höfe neu zu besetzen, aber diese Versuche muß-
    ten notwendig scheitern. 1348 war das große Ster-
    ben gewesen; funfzig Jahre später, als neue Kolonis-
    ten mutmaßlich eben anfingen, dem toten Ort ein
    neues Leben zu geben, fielen die Pommern ins Land,
    und wieder dreißig Jahre später ging der Hussitenzug
    mit Mord und Brand über »den Blumenthal« hin. In
    achtzig Jahren die Pest, die Pommern und die Hussi-
    ten – das war zuviel. Ein Fluch schien über den Ort
    ausgesprochen zu sein; er war nun wirklich tot, und
    das Mauerwerk zerfiel. Der Wald mit

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