Wanderungen durch die Mark Brandenburg
sehen. Er sah auch
zufällig nach dem Monument hinüber und bemerkte,
daß eine menschliche Figur auf dem Steinwürfel
stand. Er dacht aber nichts Arges dabei und ging in
den Stall, um die Pferde zu futtern. Als er nach einer
Stunde wieder in die Haustür trat, wurd es ihm ver-
wundersam, und er brummte vor sich hin: ›He steiht
ümmer noch!‹ Und er weckte nun den Alten. Der
kam und alles Hausgesinde mit ihm. Aber es blieb,
wie es war. ›De snaksche Kerl steiht ümmer noch‹,
wiederholte der Sohn. Und in der Tat, im Nebel des
Novembermorgens, regungslos und rätselvoll, stand
eine menschliche Figur auf dem Zorndorfer Schlach-
tenstein. Welche Hypothesen in jener Stunde gebo-
ren sein mögen, ist schwer zu sagen. Endlich, wie
sich von selbst versteht, löste sich der Spuk.
Die Mertensschen waren nun zufrieden, aber Graf
Schwerin war es nicht. Sein künstlerisches Gewissen
1432
schlug ihm, und wenn anfangs das gute Herz über
die ästhetischen Instinkte gesiegt hatte, so rächten
sich diese jetzt und drangen ihrerseits auf Abhülfe.
Der Graf, wenn er des Weges kam, ging an dem ›Al-
ten Fritzen‹ vorüber wie an einer Schuld, welche
Sühne verlangte.
Und endlich fand er sie. Nachdem das Bildnis einen
Winter lang allen Stürmen getrotzt und jegliches
Blanke seiner Erscheinung längst eingebüßt hatte,
erschienen die Vermummten wieder, und siehe da,
nächtlicherweile, wie die Statue gekommen war, so
verschwand sie wieder. Eine kurze, freudlose Exis-
tenz. Wie Leidtragende folgten der Mauerpolier und
die Seinen und geleiteten die Figur nach Tamsel zu-
rück. In einem der dortigen Kohlenkeller ist sie ver-
schollen.«
Völlige Dämmerung lagerte jetzt auf den Feldern,
und war es nun die Kühle des Abends oder die Stelle,
auf der wir standen, ein leises Frösteln überlief mich.
Dann sprangen wir über die Ligusterwand hinweg in
die hohen Halme hinein, und Arm und Brust vor-
schiebend, schwammen wir durch das Kornfeld hin-
durch. Wir hörten nichts als ein Rauschen und Knis-
tern, selbst im Zabergrunde war es still geworden,
und unser Gespräch belebte sich erst wieder, als der
Wagen über die Landstraße hinrollte und in das Prus-
ten unserer Pferde hinein Bauer Mertens uns seinen
»guten Abend« bot. Es klang treuherzig genug, ah-
nungslos, daß er und sein Ältester eben die Helden
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oder doch die Mitspielenden in einer Geschichte ge-
wesen waren.
Auf dem Hohen-Barnim
»Der Blumenthal«
Und aber nach fünfhundert Jahren
Will ich desselbigen Weges fahren.
»Chidher, der ewig junge«
»Der Blumenthal«, das heißt der Blumenthal-Wald,
ist der Name eines großen Forstreviers, das den Ho-
hen-Barnim von Westen nach Osten hin durchzieht
und durch die von Berlin nach Wriezen führende
Straße fast seiner ganzen Länge nach durchschnitten
wird.
»Der Blumenthal« hat seine Romantik. Etwas von
dem Zauber Vinetas ist um ihn her, und die Sage
von untergegangenen Städten, verschwunden in
Wasser oder Wald, begleitet den Reisenden auf
Schritt und Tritt. Wer um die Mittagsstunde hier vor-
überzieht, der hört aus Schlucht und See herauf ein
Klingen und Läuten, und wer gar nachts des Weges
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kommt, wenn der Mond im ersten Viertel steht, der
hat über Stille nicht zu klagen, denn seltsame Stim-
men, Rufen und Lachen ziehen neben ihm her.
Und ein schöner Wald ist »der Blumenthal«. Die vielen Seen, die ihn durchschneiden, geben, auch wo
sie nicht sichtbar werden, seinem Laub eine duftige
Frische, und ein Blühen ist ringsum, als woll es der
Wald immer wieder beweisen: ich bin » der Blumen-
thal «!
Rapsfelder an den offenen Stellen, die sich breit in
den Wald hineindehnen, würzen im Mai die Luft; dem
Blühdorn folgt die Hagerose und dem Faulbaum der
Akazienstrauch; die roten Erdbeeren lösen sich ab
mit den röteren »Malinekens« (wie der Landmann
hier, poetischen Klanges, die Himbeeren nennt), und
wenn endlich der Herbst kommt, so lachen die Eber-
eschenbeeren überall aus dem dunklen Blattwerk
hervor. Dabei ein Reichtum an Hölzern, wie ihn mär-
kische Forsten wohl kaum zum zweiten Male zeigen.
In reichstem Gemisch stehen alle Arten von Laub-
und Nadelholz; Eiche und Edeltanne, Else und Kiefer,
Buche und Lärchenbaum machen sich den Rang der
Schönheit streitig; vor allem aber ist es die Birke,
der Liebling des Waldes, die mit weißem Kleid und
langem Haar an dem Auge des Reisenden vorüber-
fliegt.
Der
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