Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Quad-
ratruten Ackerland zu gewinnen. Bauernegoismus ist
sicherlich das einzige Motiv gewesen, aber der E-
goismus ist hier zum Segen ausgeschlagen, und der
Hügel mit seinen jetzt steil abfallenden Wänden, hier
und dort von Liguster und Distelbüschen überwach-
sen, nimmt sich vortrefflich aus als Postament für
das auf seiner Höhe errichtete Denkmal. Dieses ist
einfachster Art. Es besteht aus drei Granitstufen, auf
deren oberster sich ein Oblong, ebenfalls aus Granit,
erhebt. Das Ganze ein etwa mannshoher, höchst
schlichter Steinbau, der früher an einer seiner Fron-
ten eine Inschrift trug. Man liest noch jetzt: »Hier
stand Friedrich... M.D.C.C.L.VIII.« Alles andere ist
verlöscht.
Das Monument ist schlicht genug. Aber der Blick ü-
ber das Schlachtfeld hin, das jetzt schattenhaft-grau
1429
vor der dahinter gelagerten Abendröte liegt, ist ent-
zückend. Der Abend schickt einen Luftzug; ein leises
Rauschen und Knistern ist in den Halmen; die Ler-
chen sind eben still geworden, und nur von rechts
und links her rufen die Unken über das Feld hin. Die
hausen noch im Zaber- und Galgengrund, wenn auch
freilich nicht mehr wie sonst. Denn die beiden Grün-
de haben längst aufgehört eigentliche Wasserrinnen
zu sein; die Kultur hat sie trockengelegt, und nur wo
hier und da noch ein Restchen Sumpfwasser in der
Vertiefung steht, halten sich ihre alten Bewohner.
Noch einmal, es ist ein schlichtes Monument, das an
dieser Stelle das Gedächtnis an den Tag von Zorn-
dorf zu wahren trachtet. Aber es ist gut, daß es
schlicht ist. Prächtige Monumente gehören in die
Stadt, in das Bereich der Kunst. Zu Wald und Feld
stimmen Denkmäler, die sich einreihen in den Haus-
rat der Natur. Übergang und Verschmelzung, nicht
Gegensatz. Würfel und Obelisk werden auf Schlacht-
feldern noch lange das beste bleiben.
Mein Reisegefährte, zu dem ich in diesem Sinne ge-
sprochen haben mochte, legte seine Hand auf meine
Schulter und sagte lächelnd: »Sie haben recht. Die-
ser Stein weiß davon zu erzählen. Es schleicht sich
nämlich etwas von höherer Kunstexistenz in sein
Leben ein. Aber es waren keine glücklichen Tage.«
Auf meine Bitte fuhr der Sprecher fort: »Gern erzähl
ich davon. Es soll Ihnen nichts verschwiegen bleiben.
Aber ändern wir zuvor unsere Front und nehmen wir
auf den Stufen der Rückseite Platz, damit wir nach
1430
Bauer Mertens' Gehöft hinübersehen können. Denn
das Gehöft und seine Insassen spielen mit.«
Ich tat wie geboten.
»Sie haben im Tamseler Parke sicherlich das Monu-
ment gesehen, das auf seiner Spitze die Rauchsche
Viktoria trägt. Dies Monument hat Graf Hermann
Schwerin errichten lassen, ein sehr liebenswürdiger
und kunstsinniger Herr. Sie werden gleich sehen,
warum ich mit ihm beginne.
Es war um 1846, als ein benachbarter Freund bei
dem Tamseler Grafen erschien und ihm von einem
Küstriner Klempner erzählte, der in überpatrioti-
schem Eifer auf die Idee gekommen war, den Alten
Fritz in Weißblech zu treiben. Er hatte jahrelang sei-
ne Feierabendstunden darangesetzt. Nun stand der
große König endlich fix und fertig da, sieben Fuß
hoch und blank wie ein Zinnlöffel. Aber niemand
wollt ihn haben. Der Graf, der nicht nur ein kunstsin-
niger, sondern vor allem auch ein sehr gütiger Herr
war, überlegte sich's einen Augenblick, akzeptierte
dann das angebotene Kunstwerk, zahlte den Preis
und traf seine Dispositionen.
Ein paar Tage später traf alles in Tamsel ein. Tamsel
aber war nicht Bestimmungsort. Der Graf hatte be-
reits anderweitig darüber verfügt, freilich mit einer
an Vorahnung grenzenden Besorgnis.
Es war Anfang November, und zu mitternächtiger
Stunde hielt ein Leiterwagen vor dem Schloß. Jetzt
1431
mußte sich's entscheiden. Die Statue wurde rasch
aufgeladen, und ehe zehn Minuten um waren, setzte
sich der Zug unter Begleitung von einem Mauerpolier
und drei Gesellen in Bewegung. Andere Dienstleute
folgten. Es ging still durch Schlucht und Wald, noch
stiller durch Zorndorf hin, an Mertens' Gehöft vor-
über, bis der Wagen hier zu Füßen des Hügels hielt.
Und nun rasch und ängstlich und mit fast gespensti-
scher Stille wurde der blecherne Fritz auf den Gra-
nitwürfel gestellt. Sie können noch sehen, wo der
Mörtel gesessen hat. Dann in stiller Nacht, wie der
Zug gekommen war, verschwand er auch wieder.
Am andern Morgen trat Mertens' ältester Sohn in die
Haustür, um nach dem Wetter zu
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