Wanderungen durch die Mark Brandenburg
als
Feldmarschall von Schöning, schönere Frauen als
Frau von Wreech und glänzendere Poeten als Graf
Ludwig Wreech oder Graf Hermann Schwerin hervor-
gegangen sind, aber es gibt keinen Landsitz, der, wie
Tamsel, durch sechs Generationen hin, in bewußter Ausübung und Pflege jeglicher Kunst sich immer
gleichgeblieben wäre.
Schloß Rheinsberg, mit dem es überhaupt vieles ge-
meinsam hat, steht ihm hierin am nächsten, da die
Zeit seiner Blüte siebzig Jahre umfaßt. Alle übrigen
Schlösser aber, die hierlandes den schönen Künsten
1422
ihr gastliches Tor öffneten, sahen die Muse nur zeit-
weilig in ihren Mauern. Sie kam und ging. Tegel : die Humboldts; Blumberg : Canitz; Wiepersdorf : Achim von Arnim; Nennhausen : Fouqué; Madlitz und Zie-bingen : Tieck – alle hatten ihre Zeit, und die literarische Bedeutung dessen, was in ihnen geboren wur-
de, ging weit über das hinaus, was Tamsel hervor-
brachte. Aber dilettantisch, wie alles sein mochte,
was der schöne neumärkische Herrensitz entstehen
sah, klein, wie das Feuer war, es losch nie aus . Der Besitz wechselte vielfach und ging durch Erbschaft
auf immer neue Namen über, jeder folgende jedoch
empfand sich stets als Erbe gewisser Traditionen,
und die Schönings, die Wreechs, die Dönhoffs, die
Schwerins, wie verschieden sonst auch, sie zeigten
sich einig in gefälliger Pflege der Kunst.
Und um dieser Eigentümlichkeit Tamsels gerecht zu
werden, bedurfte es einer ins einzelne gehenden
Aufzählung des reichen Materials, das sich daselbst
in Schloß und Park und Kirche zusammenfindet.
1. An dieser Stelle sei übrigens noch der Frau
Karschin, der bekannten Dichterin, erwähnt,
die jahrelang zu Frau von Wreech in freund-
schaftlichen Beziehungen stand. Die Karschin
war längere Zeit in Tamsel zu Besuch. Im
Tamsler Archiv befinden sich verschiedene
Gedichte der Karschin, an Frau von Wreech
gerichtet und Briefe (gewöhnlich in Versen),
die beide Damen wechselten. Leider bot sich
1423
mir nur Gelegenheit, diese Papiere zu lesen,
nicht, sie zu benutzen. Sie geben ein vortreff-
liches Zeitbild.
Zorndorf
Moskoviens Bär mit eisbehangnen Haaren
Dürstete Friedrichs Blut.
Christian Fr. Daniel Schubart
Mit Vergunst,
Der Will' ist eins, ein andres ist die Kunst.
Eine halbe Meile nördlich von Tamsel liegt Zorndorf.
Der Weg führt zunächst durch eine tiefe Schlucht,
die hier, unmittelbar im Rücken des Dorfes, die Hü-
gelkette torartig durchbricht und, immer ansteigend,
auf ein Plateau von mäßiger Höhe mündet. Die Fahrt,
die sehr malerisch beginnt, verliert sehr bald ihren
Charakter; Sand und Baumwurzeln treten an die
Stelle von mit Laubholz besetzten Berglehnen, bis
endlich das freundlich daliegende Zorndorf die ziem-
lich reizlose Öde wieder unterbricht.
Zorndorf ist wohlhabend, wie fast alle Dörfer, wo
Schlachten geschlagen wurden. Ob es lediglich daran
liegt, daß die während des Kampfes zerstörten Dör-
fer besser und hübscher wiederaufgebaut werden,
1424
oder ob die Schlachtfelder, wie große Kirchhöfe, ei-
nen reicheren Acker schaffen? Es stehe dahin. Viel-
leicht auch kommt noch ein Drittes hinzu. Das Auf-
erbauen aus Trümmern schafft nicht nur einfach ein
neues Dorf, es schafft auch, in nötig gewordener
Anspannung, ein rührigeres Geschlecht. Und Fleiß
und Energie, einmal wachgerufen, vererben sich wei-
ter von Vater auf Sohn.
Unser Wagen hielt vor dem Krug, und mein in Zorn-
dorf halb heimischer Reisegefährte rief nach dem
Krüger. Und siehe da, aus einem kleinen dürftigen
Laden trat eine Hünengestalt heraus, grüßte und
stellte sich halb dienstlich neben den Tritt unseres
Wagens. Seine riesige Gestalt und die kleine Laden-
tür paßten wenig zusammen. Ein ähnlich komisches
Verhältnis bestand zwischen seiner Gestalt und sei-
nem Namen.
»Guten Tag, Herr Nonnenprediger.«
Der Angeredete erwiderte ruhig den Gruß und verzog
keine Miene.
»Herr Nonnenprediger«, fuhr mein Reisegefährte
fort, »einer von den Bauern hier sammelt ja wohl
alles, was auf dem Schlachtfelde gefunden wird. Ver-
lohnt es sich, bei ihm vorzufahren?«
Nonnenpredigers Mund ging in ein leises Grinsen
über, das über seine Stellung zu »vaterländischen
Altertümern« keine weiteren Zweifel gestattete.
1425
»Können Sie uns nicht ohngefähr sagen, was der
Bauer alles hat?«
»Kanonenkugeln, Gewehrläufe, Schäfte, Flintenstei-
ne.«
»Nicht den Lehnstuhl, drauf Friedrich der
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