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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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als
    Feldmarschall von Schöning, schönere Frauen als
    Frau von Wreech und glänzendere Poeten als Graf
    Ludwig Wreech oder Graf Hermann Schwerin hervor-
    gegangen sind, aber es gibt keinen Landsitz, der, wie
    Tamsel, durch sechs Generationen hin, in bewußter Ausübung und Pflege jeglicher Kunst sich immer
    gleichgeblieben wäre.
    Schloß Rheinsberg, mit dem es überhaupt vieles ge-
    meinsam hat, steht ihm hierin am nächsten, da die
    Zeit seiner Blüte siebzig Jahre umfaßt. Alle übrigen
    Schlösser aber, die hierlandes den schönen Künsten

    1422
    ihr gastliches Tor öffneten, sahen die Muse nur zeit-
    weilig in ihren Mauern. Sie kam und ging. Tegel : die Humboldts; Blumberg : Canitz; Wiepersdorf : Achim von Arnim; Nennhausen : Fouqué; Madlitz und Zie-bingen : Tieck – alle hatten ihre Zeit, und die literarische Bedeutung dessen, was in ihnen geboren wur-
    de, ging weit über das hinaus, was Tamsel hervor-
    brachte. Aber dilettantisch, wie alles sein mochte,
    was der schöne neumärkische Herrensitz entstehen
    sah, klein, wie das Feuer war, es losch nie aus . Der Besitz wechselte vielfach und ging durch Erbschaft
    auf immer neue Namen über, jeder folgende jedoch
    empfand sich stets als Erbe gewisser Traditionen,
    und die Schönings, die Wreechs, die Dönhoffs, die
    Schwerins, wie verschieden sonst auch, sie zeigten
    sich einig in gefälliger Pflege der Kunst.
    Und um dieser Eigentümlichkeit Tamsels gerecht zu
    werden, bedurfte es einer ins einzelne gehenden
    Aufzählung des reichen Materials, das sich daselbst
    in Schloß und Park und Kirche zusammenfindet.

    1. An dieser Stelle sei übrigens noch der Frau
    Karschin, der bekannten Dichterin, erwähnt,
    die jahrelang zu Frau von Wreech in freund-
    schaftlichen Beziehungen stand. Die Karschin
    war längere Zeit in Tamsel zu Besuch. Im
    Tamsler Archiv befinden sich verschiedene
    Gedichte der Karschin, an Frau von Wreech
    gerichtet und Briefe (gewöhnlich in Versen),
    die beide Damen wechselten. Leider bot sich

    1423
    mir nur Gelegenheit, diese Papiere zu lesen,
    nicht, sie zu benutzen. Sie geben ein vortreff-
    liches Zeitbild.

    Zorndorf

    Moskoviens Bär mit eisbehangnen Haaren
    Dürstete Friedrichs Blut.
    Christian Fr. Daniel Schubart
    Mit Vergunst,
    Der Will' ist eins, ein andres ist die Kunst.

    Eine halbe Meile nördlich von Tamsel liegt Zorndorf.
    Der Weg führt zunächst durch eine tiefe Schlucht,
    die hier, unmittelbar im Rücken des Dorfes, die Hü-
    gelkette torartig durchbricht und, immer ansteigend,
    auf ein Plateau von mäßiger Höhe mündet. Die Fahrt,
    die sehr malerisch beginnt, verliert sehr bald ihren
    Charakter; Sand und Baumwurzeln treten an die
    Stelle von mit Laubholz besetzten Berglehnen, bis
    endlich das freundlich daliegende Zorndorf die ziem-
    lich reizlose Öde wieder unterbricht.
    Zorndorf ist wohlhabend, wie fast alle Dörfer, wo
    Schlachten geschlagen wurden. Ob es lediglich daran
    liegt, daß die während des Kampfes zerstörten Dör-
    fer besser und hübscher wiederaufgebaut werden,

    1424
    oder ob die Schlachtfelder, wie große Kirchhöfe, ei-
    nen reicheren Acker schaffen? Es stehe dahin. Viel-
    leicht auch kommt noch ein Drittes hinzu. Das Auf-
    erbauen aus Trümmern schafft nicht nur einfach ein
    neues Dorf, es schafft auch, in nötig gewordener
    Anspannung, ein rührigeres Geschlecht. Und Fleiß
    und Energie, einmal wachgerufen, vererben sich wei-
    ter von Vater auf Sohn.
    Unser Wagen hielt vor dem Krug, und mein in Zorn-
    dorf halb heimischer Reisegefährte rief nach dem
    Krüger. Und siehe da, aus einem kleinen dürftigen
    Laden trat eine Hünengestalt heraus, grüßte und
    stellte sich halb dienstlich neben den Tritt unseres
    Wagens. Seine riesige Gestalt und die kleine Laden-
    tür paßten wenig zusammen. Ein ähnlich komisches
    Verhältnis bestand zwischen seiner Gestalt und sei-
    nem Namen.
    »Guten Tag, Herr Nonnenprediger.«
    Der Angeredete erwiderte ruhig den Gruß und verzog
    keine Miene.
    »Herr Nonnenprediger«, fuhr mein Reisegefährte
    fort, »einer von den Bauern hier sammelt ja wohl
    alles, was auf dem Schlachtfelde gefunden wird. Ver-
    lohnt es sich, bei ihm vorzufahren?«
    Nonnenpredigers Mund ging in ein leises Grinsen
    über, das über seine Stellung zu »vaterländischen
    Altertümern« keine weiteren Zweifel gestattete.

    1425
    »Können Sie uns nicht ohngefähr sagen, was der
    Bauer alles hat?«
    »Kanonenkugeln, Gewehrläufe, Schäfte, Flintenstei-
    ne.«
    »Nicht den Lehnstuhl, drauf Friedrich der

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